Ein klarer Fall von (vermutlich nicht beabsichtiger) Irreführung durch Klappentext. Der Hinweis nämlich: „Für alle Fans von Tommy Jaud und Fuck ju Göhte“ hat mich erstmal abgeschreckt, da ich weder von dem einen noch von dem anderen ein Fan bin. Aber es stellte sich heraus, dass es keinen Grund gibt, vor dem Roman von Thorsten Steffens zurückzuschrecken.
Das Buch ist die Fortsetzung von seinem Roman „Klugscheißer Royal“, den ich nicht gelesen habe. Aber auch ohne diese Vorkenntnisse kann man den zweiten Band durchaus problemlos verstehen.
Protagonist Timo Seidel ist ein 29jähriger Studienabbrecher mit schlechtem Gewissen und guten Vorsätzen. Er hat, aufgrund der wohl im ersten Buch beschriebenen Vorkommnisse, lernen müssen, dass er als Klugscheißer, der er ist, bei vielen Menschen aneckt und sich meist unbeliebt macht. Also hat er beschlossen, an sich zu arbeiten und bemüht sich redlich, seine Klugscheißereien für sich zu behalten. Das gelingt ihm natürlich nicht immer, wobei man wirklich Verständnis für ihn hat, wenn er den sprachlichen und grammatikalischen Defiziten seiner morgendlichen Mitreisenden ausgesetzt ist. Hier trifft der Humor des Autors wirklich ins Schwarze, man erlebt die Situation hautnah mit und leidet mit Timo unter den Verunstaltungen der deutschen Sprache.
Timo hat sich also entschlossen, nicht nur an seinem Image als Klugscheißer zu arbeiten, sondern auch wieder ein Studium aufzunehmen. Gleichzeitig ist es ihm gelungen, eine Stelle als Aushilfslehrer für Englisch an einer Abendschule zu ergattern, so dass er damit besagtes Studium finanzieren kann. An der Hochschule schließt er Freundschaft mit dem viel jüngeren Lennart und begegnet seiner Traumfrau Sophie. Die sich als schlimmere Klugscheißerin herausstellt als er es in seinen besten Zeiten war.
Die Figurenzeichnung liegt dem Autor, seine Figuren haben Charakter und trotz des einen oder anderen Klischees sind sie authentisch und lebensnah. Natürlich übertreibt er es an manch einer Stelle, aber genau das macht den Charme des Romans aus. Die Leserin kann in einigen der Lehrerinnen der Abendschule wie auch in den Dozenten an der Hochschule Züge wiederfinden von Lehrer*innen, denen auch sie mal begegnete. Und so wird vermutlich es vielen Lesern dieses Buches ergehen. Mag auch manch ein Witz abgedroschen sein und manch eine Pointe vorhersehbar, mag mancher Spruch, von denen Lennart reichlich ausstreut, einer zuviel sein – das Buch macht Spaß und man muss oft schmunzeln.
Dabei ist der Protagonist im Grunde viel sympathischer, als Titel und Klappentext suggerieren. Timo ist nachdenklich und empathisch, zum Beispiel wenn er seinen Schülern in der Abendschule auch bei ihren außerschulichen Problemen hilft. Er vermisst seinen früh verstorbenen Vater, der auch jetzt noch großen Einfluss auf seine Lebensplanung hat, hingegen ist das Verhältnis zu seiner Mutter eher schwierig. Dafür liebt er seine Großmutter, die ihm jeden Abend Tupperdosen voller Essen an die Abendschule bringt und dort innige Freundschaft mit seinen Schülern schließt. Hier gehen die Gäule mit dem Autor zwar manchmal ein wenig durch, trotzdem sind diese Szenen herrlich beschrieben.
Fazit: ein Roman der leichten Art, keine hohe Literatur, aber ein Buch, das gute Laune macht.
Thorsten Steffens: Klugscheißer Deluxe
Piper, Juni 2020
Taschenbuch, 264 Seiten, 10,00 €