Natürlich kann man eine Sammlung an Texten wahllos zusammenstellen. Viel besser aber ist es, wenn es ein gemeinsames Thema gibt, um welches die Geschichten kreisen. Von daher haben es die acht Autorinnen und der eine Autor genau richtig gemacht.
Ihre Geschichten, die die Leser:innen auf eine phantastische Reise durch die Zeit schicken, drehen sich alle um ein rotes Tuch. Nun kennen wir alle auch die Doppeldeutigkeit dieses Begriffs, schon allein deswegen ist es meiner Meinung nach ein sehr geschickt gewähltes Thema und ein perfekter Titel.
Beginnend im Altertum erzählt uns beispielsweise Charlotte Fondraz von den Ereignissen am Hof von Knossos aus der Sicht von Rolfr, des neu angekommenen Sklaven. Weiter geht es über das Mittelalter bis hin zu Geschehnissen in und um Berlin am Ende des 19. Jahrhunderts. Schließlich folgen wir Claudia Zentgraf in ihrer Geschichte „Gold“ in den Dschungel Brasiliens, wo sich Ludwig auf die Suche nach dem sagenhaften Gold macht und etwas ganz anderes entdeckt.
Kim Skott erzählt, wie passend bei diesem Oberthema, vom „letzten Stier“, schildert die Gewissensqualen und die so unterschiedliche Wahrnehmung eines Stierkämpfers in seinem Umfeld. Unglaublich gut geschrieben und nachdenklich machend. Es gibt eben immer zwei Seiten.
Ganz anders die in der aktuellen Zeit spielende Geschichte von Esther Geisslinger „Das rote Tuch“, in welcher ein Mann mit seiner im Home Office arbeitenden Ehefrau klarkommen muss. Spannend mit einem unerwarteten Ende.
Kristin Weber steuert ebenfalls eine Gegenwartsgeschichte bei, „Müller geht“ in Pension, ein alternder Kommissar, der sich in einer Talkshow für erfolglose Ermittlungen in einem Serienmord rechtfertigen muss. Auch hier hat mich vor allem der psychologische Aspekt beeindruckt, den die Autorin geschickt beschreibt.
Und schließlich das Schmankerl in der Sammlung, die Geschichte von Esther Brendel. Allein schon die formale Gestaltung ist ungewöhnlich. Es geht um ein Onlinegame, zwei Teilnehmer unterhalten sich während des Spiels. Faszinierend, fesselnd, ungewöhnlich und überraschend spannend.
Den Abschluss der Zeitreise macht Esther Geisslinger mit der Geschichte „Morgen ist auch noch ein Tag“. Wer seine Literatur kennt, erkennt auch diesen Satz. Wer noch Nachhilfe braucht, der kommt spätestens mit Hilfe der Namen der Protagonisten auf den Bezug, Scarlett und Rhett. Sie ist Astronautin, steht vor enormen Herausforderungen, doch „morgen ist eben auch noch ein Tag.“ Für mich vielleicht meine Lieblingsgeschichte in dieser von guten Texten wimmelnden Anthologie.
Kommplot übrigens ist der Name einer Autorinnengruppe, deren Mitglieder über ganz Deutschland verteilt sind und die nicht nur die gemeinsame Anthologie, sondern auch einzeln bereits einige Romane veröffentlicht haben. Mehr über die Gruppe hier: KommPlot
Kommplot & Friends – das rote Tuch
BoD, November 2021
Taschenbuch, 188 Seiten, 9,99 €