Ein regelrechtes Kleinod hat mir die Post da ins Haus gebracht. Vielen Dank an den Steidl-Verlag, der mir dieses Buch unverlangt zugeschickt hat. Ein kleines, ganz wunderbares Buch, von einer mir bis dahin gänzlich unbekannten irischen Autorin.
Claire Keegan, die unter anderem für ihre Erzählbände mehrfach ausgezeichnete Schriftstellerin, erzählt die Geschichte eines guten Mannes. Die Handlung trägt sich zu in einer kleinen irischen Stadt im Jahr 1985.
Über dieser Stadt thront das Kloster und darin die Wäscherei, in welche viele Bewohner ihre Wäsche zum Waschen bringen. Dabei fragt kaum einer, was es mit den Mädchen auf sich hat, die dort arbeiten, dabei das Kloster nicht verlassen dürfen. Nur hinter vorgehaltener Hand und nur in Andeutungen wird darüber gemunkelt.
So auch in der Familie von Bill Furlong. Der Kohlenhändler und Vater von fünf Töchtern beliefert auch das Kloster mit seinem Brennmaterial. Dabei entdeckt er eines Tages, mitten im Winter und kurz vor Weihnachten, eines dieser Mädchen im Kohlenschuppen. Diese Begegnung führt dazu, dass er sein gesamtes Leben hinterfragt, seine Ehe, die Erziehung seiner Töchter und die Beziehungen in der Stadt, zu seinen Kunden und Nachbarn. Er trifft schließlich eine Entscheidung mit großer Tragweite.
All das erzählt Claire Keegan unaufgeregt, mit spröden, dabei aber ungemein ausdrucksstarken Worten, mit berührenden Bildern. Sie schildert das alltägliche Leben, den Kampf ums Leben ohne Dramatik, dadurch aber umso eindringlicher. Langsam folgt man Bill Furlong auf seinem Gang durch die Stadt und auf dem Gang seiner Gedanken.
Der Roman lässt sicher niemanden unberührt, selbst wenn man um das Schicksal dieser Mädchen damals in Irland weiß, bleibt man betroffen, nachdenklich und angerührt zurück. Ein kleines Buch, wenige Seiten, aber mit Wucht und Wirkung.
Eine unbedingt empfehlenswerte Lektüre.
Claire Keegan – Kleine Dinge wie diese
aus dem Englischen von Hans-Christian Oeser
Steidl Verlag, März 2022
Gebundene Ausgabe, 111 Seiten, 18, 00 €