Es fasziniert mich immer wieder, wie weit voraus die Amerikaner uns sind, wenn es um das Studium des Kreativen Schreibens geht. Nicht nur, dass man dieses Fach in den USA an vielen Orten studieren kann, bei uns hingegen ist es eher ein sehr selten angebotenes Studienfach. Sondern auch, weil die Qualität der Lehre und offensichtlich auch der Lehrenden dort unglaublich hoch ist (oder sein muss). Ein Symptom dafür ist ja ganz sicher die Menge an amerikanischer Literatur, die bei uns auf dem Buchmarkt monatlich erscheint. Und ein weiteres ist das hier vorliegende Buch von Jesse Falzoi. Denn die Autorin dieses Kurses in 16 Lektionen hat in den USA Creative Writing studiert. Und das merkt man beim Lesen ihres Buches auf jeder einzelnen Seite. Ihr Buch hat mich genauso begeistert wie ein weiteres, das auf dem Studium in den USA aufbaut, nämlich „Romane und Kurzgeschichten“ von Alexander Steele, ebenfalls im Autorenhaus Verlag erschienen.
Jesse Falzoi widmet sich so ausführlich wie nötig und so komprimiert wie möglich allen entscheidenden Aspekten des Kreativen Schreibens: Charaktere, Plot, Anfang und Ende einer Geschichte, Thema, Dialoge, Titelfindung und vieles mehr. Dabei betont sie unter anderem, dass eine Autorin oder ein Autor stets einen Vertrag mit den Leser*innen eingeht. Weil nämlich am Anfang eine Erwartung beim Leser oder der Leserin geweckt wird – weshalb auch der erste Satz bzw. der erste Absatz eines Romans oder einer Kurzgeschichte von so entscheidender Bedeutung ist. Diese Erwartung gilt es zu erfüllen, will man seine Leserschaft nicht enttäuschen und dadurch für künftige Bücher verlieren.
Die deutsche Schriftstellerin Jesse Falzoi, die mit einem Stipendium in den USA studierte und dort den Master of Fine Arts in Creative Writing errang, belegt alle ihre Ratschläge und Tipps mit vielen wertvollen und hilfreichen Beispielen. Hier allerdings liegt auch mein einziger Kritikpunkt an ihrem Buch: Fast ausschließlich zieht die Autorin Beispiele aus der amerikanischen Literatur heran, abgesehen von wenigen Zitaten aus Werken aus anderen Ländern. Deutsche Schriftsteller hingegen werden kaum oder gar nicht zitiert oder als Beispiel erwähnt. Abgesehen davon, dass immer auch die Gefahr besteht, dass Übersetzungen nicht genauso wirken wie die Originaltexte, gibt es meines Erachtens sicher auch im deutschsprachigen Raum zitierenswerte Literatur, die angehenden Neu-Autoren als Beispiele dienen könnten.
Aber das ist wirklich das Einzige, was ich an diesem 16-teiligen Kurs zu bemängeln habe. Die Autorin vermittelt mit leichtem, sehr gut lesbarem Stil all das nötige Handwerkszeug, das man braucht, um spannende, berührende und vor allem nachhallende Geschichten zu Papier zu bringen. Besonders freut es mich natürlich, dass für sie derselbe Aspekt des Schreibens der Wichtigste ist wie für mich: die Figuren. Auf deren Ausarbeitung und die Vertiefung der Charaktere legt Jesse Falzoi großen Wert, was ich gerne unterschreibe.
Hierbei macht sie keinen Unterschied zwischen dem Schreiben von Romanen oder von Kurzgeschichten: „Die Kurzgeschichte erfordert nicht weniger Mühe und Arbeit als ein Roman, der einzige Unterschied ist die am Ende sichtbare Anzahl der Wörter. Gerade in der Kurzgeschichte müssen Sie Ihren Protagonisten genau studieren, denn er ist es, der dafür sorgt, dass man sich an Ihre Gescchichte erinnert, …. (S.30).
Dieses Buch gehört für mich zu den besten und hilfreichsten Lehrbüchern über Kreatives Schreiben, die ich bislang gelesen habe. Und das waren einige. Ein sehr empfehlenswertes Buch sowohl für Anfänger wie durchaus auch für Fortgeschrittene.
Jesse Falzoi – Creative Writing / Texte und Bücher schreiben / Der neue Kreativ-Schreiben-Kurs in 16 Lektionen
Autorenhaus Verlag, 2017
Gebundene Ausgabe, 300 Seiten, 22,99 €