Mir über diesen neuen Roman des beliebten und renommierten Autors ein Urteil zu bilden, fällt mir nicht leicht. Das Thema ist spannend und aktuell, der Stil ist erfrischend wie immer bei ihm und dennoch stellt mich das Buch nicht gänzlich zufrieden.
Das liegt vor allem an der Dialoglastigkeit. Der ganze Roman besteht größtenteils aus Dialogen, aus Gesprächen zu zweit, zu dritt. Bekanntlich sind ja etliche der Bücher von Nick Hornby erfolgreich verfilmt worden. Und da liegt meines Erachtens die Crux: der Roman wirkt wie ein Drehbuch, allerdings ohne die Regieanweisungen zu den Dialogen. Damit will ich sagen, dass die Gespräche über viele Seiten dahinplätschern, die Menschen dabei gerne aneinander vorbeireden oder die Botschaften zwischen den Zeilen verstecken, aber das „Leben“ beim Sprechen fehlt. Elizabeth George nennt das, was ich hier vermisst habe, in ihrem Buch Wort für Wort die „Geschwätzvermeidungsstrategie“. Dabei sind die Dialoge, wie immer bei diesem Autor, sehr spritzig, lebensecht, realistisch. So sprechen die Menschen heute, so reden Mütter mit ihren Söhnen, Frauen mit ihren Männern, Freundinnen miteinander.
Daneben verfolgt die Leserin die Handlung durch die Gedanken der Protagonisten, entweder aus der Sicht von Lucy oder aus dem Blickwinkel von Joseph, dem jungen Mann, in den sie sich verliebt. Lucy ist 42 Jahre alt, Lehrerin, weiß. Sie hat zwei Kinder mit ihrem Mann Paul, der nicht mehr bei ihr wohnt, da er seine Alkoholsucht nicht in den Griff bekam und sie das nicht länger aushielt. Joseph ist 22, schwarz, lebt bei seiner Mutter. Er hat mehrere Jobs gleichzeitig, ist Fußballtrainer, Babysitter und Aushilfsmetzger. Dort in der Metzgerei lernen er und Lucy sich kennen. Dieses sich langsam Annähern, das Ausloten der eigenen Gefühle, das Infragestellen dieser Emotionen, das beschreibt Nick Hornby wie stets unglaublich gekonnt, zart und sensibel, dabei aber durchaus auch direkt und deutlich.
Es kommt wie es kommen muss. Nicht nur die unterschiedliche Hautfarbe, natürlich auch und vor allem der große Altersunterschied sorgen für Probleme und ziemliches Unverständnis in beider Umfeld. Lucy ist genauso alt wie Josephs Mutter, etwas, woran er einigermaßen zu knabbern hat. Dazu kommen die Vorbehalte gegenüber einer Verbindung zwischen zwei derart unterschiedlichen Menschen, denn sie kommen aus komplett verschiedenen Welten. Das wird z.B. Lucy schmerzhaft bewusst, als ihr während einer Einladung bei Freunden klar wird, dass sie Joseph hier nicht mitbringen könnte. Ebenso wenig wie sie ihn zu seinen Musikveranstaltungen begleiten würde.
Die Geschichte spielt übrigens im Jahr 2016, beginnt in den Wochen vor dem Referendum in Großbritannien über den Brexit. Viele der Gespräche der verschiedenen Figuren drehen sich um dieses Thema. So diskutiert Joseph mit seinem Vater darüber, Lucy mit ihrem Mann und mit ihren Söhnen. Das sorgt zusätzlich für Aktualität und das passende Zeitkolorit. Nick Hornby spielt ja immer gerne mit solchen politischen Bezügen.
Trotz dem mir der Roman wegen des frischen und authentischen Stils gefallen hat, empfand ich die Handlung als träge und vorhersehbar, zu oft zu sehr in die Länge gezogen, trotz des versteckten Witzes und der Anspielungen. Daher, wie oben bereits erwähnt, bin ich in meinem Urteil über diesen Roman sehr zwiegespalten.
Nick Hornby – Just like you
Kiepenheuer & Witsch, September 2020
Gebundene Ausgabe, 381 Seiten, 22,00 €
Hier findest du meine Rezension eines weiteren Romans dieses Autors:
Nick Hornby – Keiner hat gesagt, dass du ausziehen sollst