So etwas muss man mögen, sich darauf einlassen. Das ist mir leider nicht gelungen.
Das lag aber nicht am Stil der Autorin. Im Gegenteil, der war erfrischend anders, kühl, distanziert, analytisch. Fast wie der Bericht einer Wissenschaftlerin, die ein Forschungsobjekt beobachtet. Oder wie das Tagebuch eines Verhaltensforschers, der die Reaktionen der Probanden unter die Lupe nimmt. Dazu trägt besonders bei, dass die Protagonisten einmal mehr namenlos bleiben, es gibt nur eine Sie und einen Er.
Was mir an diesem Roman so gar nicht zusagt, ist das Gleiche, was mich auch an dem berühmten Roman „Liebesleben“ von Zeruya Shalev so gestört hat: die Handelnden befinden sich in einer Blase, es findet außerhalb ihrer eigenen Befindlichkeiten und Bedürfnisse nichts statt. Wobei diese Bedürfnisse für die beiden Beteiligten über allem stehen, ohne Rücksicht auf Verluste. So etwas mag es sicher geben, für mich ist das dennoch zu unrealistisch, zu weit weg vom „normalen“ Leben und zu weit weg von „normalen“ Menschen.
All das führt dazu, dass mir die Protagonisten fremd blieben, ich konnte keine Empathie entwickeln, mich weder in sie hineinversetzen noch nimmt mich ihr Schicksal irgendwie für sie ein.
Die wenige Handlung ist schnell erzählt: Sie zieht zusammen mit ihrem künftigen Ehemann, der – man erfährt nicht, warum – ständig auf Reisen ist, in ein renoviertes großes Loft in Paris. Im selben Haus zieht kurz darauf eine Familie ein, ein Ehepaar mit einem kleinen Kind. Als Sie Ihm, d.h. besagtem Ehemann und Vater, zum ersten Mal begegnet, verfällt Sie ihm und Er ihr. Von da an dreht sich alles darum, wann wo und wie sich die beiden treffen, wie schwer es ihnen fällt, sich zu beherrschen, damit sie nicht gleich vor allen übereinander herfallen. Dazwischen schicken sie sich tausende SMS.
Schließlich kommt es wie es kommen muss: sowohl ihr Verlobter wie auch seine Frau finden heraus, was da zwischen den Beiden läuft. Daraufhin entbrennt ein ständiges Hin und Her, sie trennen sich, sie kommen wieder zusammen, trennen sich, kommen zusammen und so weiter. Und das, was darüber hinaus noch geschieht, ahnt man bereits ab den ersten Seiten.
Der Klappentext nennt das, was in diesem Roman dargestellt wird, eine „Amour fou“. Für mich hat das aber wenig mit Liebe zu tun, für mich ist das Besessenheit, die alles andere verdrängt, die egoistisch und selbstbezogen ist. Beide Protagonisten sind, wie es im Roman selbst heißt, gut situierte, gelangweilte 30-Jährige, die keine anderen Sorgen haben als ihr eigenes Wohlbefinden. Dieses Buch ist für mich wieder ein Beleg dafür, dass ein Roman noch so gut geschrieben sein kann, wenn die Figuren unsympathisch bleiben, bei der Leserin keine Emotionen wecken, dann wird die Leserin diesen Roman nicht mögen.
Für Liebhaber solcher Lektüre sicher lesenswert, mich hat dieser Roman nicht erreicht. Daran konnte dann auch der erwähnte interessante Schreibstil, der gut von Sina de Malafosse ins Deutsche übertragen wurde, nichts ändern.
Géraldine Dalban-Moreynas – An Liebe stirbst Du nicht
Nagel & Kimche, September 2020
Gebundene Ausgabe, 191 Seiten, 20,00 €