Als ich vor etlichen Jahren in meinem Beruf begann, Karriere zu machen und die ersten Geschäftsreisen anstanden, fragte mich mein damaliger, selbst vielreisender Vorgesetzter: „Was sagt denn Ihr Mann dazu, dass Sie reisen wollen?“ Zuerst war ich völlig perplex über diese Frage und fragte dann zurück: „Und was sagt Ihre Frau zu Ihren vielen Reisen?“.
An diese Frage, die Männern nie gestellt wird, musste ich denken, als ich dieses Buch in Händen hielt. Auch wenn mein Erlebnis viele Jahre her ist, hat sich, glaube ich, seither zwar manches, aber lange nicht genug geändert. Genau das thematisiert Fränzi Kühne in ihrem Buch.
Auslöser für sie, dieses Buch zu schreiben, waren Interviews, die sie gab, nachdem sie selbst als eine der ersten Frauen in den Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft berufen worden war. In diesen Interviews wurden ihr viele Fragen gestellt, die Männer nie gefragt werden, es wurde viel über ihre Kleidung, ihr Auftreten, ihre Familie berichtet, Details über das Leben eines Menschen, die in Interviews von Männern selten bis gar nicht vorkommen. Im Laufe dieser Gespräche sammelte Fränzi Kühne all diese Fragen: Fragen danach, wer die Kinder versorgt, während sie im Aufsichtsrat sitzt, Fragen danach, warum sie keinen Hosenanzug oder High Heels trägt, den Ausdruck der Bewunderung oder wahlweise des Mitleids mit ihrem Mann, der sie unterstützt, und weitere Fragen ähnlichen Kalibers.
Diese Fragensammlung hat sie schließlich in eigenen Interviews 22 Männern des öffentlichen Lebens gestellt und im Nachgang ausgewertet, woraus dieses Buch entstand. Angefragt hatte sie bei 50 Männern, von denen etliche diese Anfrage komplett ignorierten. Bereitwillig geantwortet haben ihr unter anderen Heiko Maas, der Außenminister, Gregor Gysi, Politiker der Partei „Die Linke“, Rainer Esser, Geschäftsführer des ZEIT-Verlags oder Frater Rafael Maria Klose, Ordensmann des Dominikanerordens und Joe Kaeser, seinerzeit Vorstandsvorsitzender des Siemens-Konzern.
Bei der Lektüre der vielen Antworten dieser Männer auf Fragen wie: ‚Wie lief Ihre Familienplanung ab, war von Anfang an klar, wer sich um die Kinder kümmert?‘ oder ‚Wer wählt Ihre Kleidung aus?‘ oder ‚Wie hat Ihr Umfeld auf Ihre Vaterschaft reagiert?‘ ging mir immer wieder der Gedanke durch den Kopf, wie ehrlich die Antworten wohl sind. Sicher hat keiner der Befragten bewusst falsche Antworten gegeben, doch schien mir vieles zu schön, zu reibungslos. Wenn beispielsweise die Rede auf die Kinderbetreuung kommt und fast alle diese Männer antworten, dass ihre jeweiligen Frauen diese ganz bereit- und vor allem freiwillig übernommen hätten, scheint mir das doch vielleicht ein wenig zu sehr Wunschdenken des Mannes.
Dennoch gibt das Buch von Fränzi Kühne einen interessanten Einblick in die heutige Denkweise der Männer, einen Eindruck von dem aktuellen Stand der Gleichberechtigung und einen sehr deutlichen Hinweis darauf, wie viel es noch zu tun gibt.
Stilistisch ist das Buch kein Hit, inhaltlich halte ich es hingegen für wichtig und lesenswert.
Fränzi Kühne – Was Männer nie gefragt werden: Ich frage trotzdem mal
S. Fischer Verlag, Mai 2021
Klappenbroschur, 237 Seiten, 14,00 €