Eigentlich hat dieser Roman alles, was es für einen Thriller braucht. Nämlich das Setting, die Figuren, das Thema. Aber dennoch fand ich keinerlei Zugang zu Handlung oder Thema. Der Stil dieser Autorin, von der ich bisher noch nichts gelesen hatte, bleibt mir fremd. Auch wenn er sicher genau zu Genre und Plot passen mag.
Es ist an Weihnachten, als viele verschiedene Menschen unerwarteten und unerwünschten Besuch erhalten von Leuten, die der Meinung sind, diese Menschen haben Verbrechen begangen. Sich bereichert auf Kosten anderer. Genau das wollen die Hintermänner dieser „Show“ der Öffentlichkeit vor Augen führen und darum werden all die Menschen und ihre Familien, die sich die Gestaltung ihrer Feiertage wahrlich anders vorgestellt hatten, der Bevölkerung live und in Farbe im Rahmen einer dramatischen Fernsehshow vorgeführt.
Der Roman ist bevölkert von Unmengen Figuren, die zu Beginn in stakkatoartig aneinandergehängte Kapitel vorgestellt werden. Es sind kurze Abschnitte und bevor man sich auf die Figur, das Setting, die Geschichte einlassen kann, wechselt bereits wieder der Schauplatz, der Protagonist, die Handlung. So geht es über weit mehr als die ersten einhundert Seiten.
Und genau das ist in meinen Augen ein Manko des Romans. Man bekommt keine Beziehung zu den Figuren, alles ist rasterartig, schlaglichtartig. Auch die Täter bleiben lange farblos, blass, konturenlos. Für mich funktioniert eine Geschichte über die Figur, ihre Hintergründe, ihre Geschichte. Über eine oder auch zwei oder drei Figuren. Aber sobald es zu viele werden, verliert man den Bezug, den Zugang. So geht auch die Sympathie, die Empathie für die Figuren verloren – und damit das Mitfühlen mit der Handlung, dem Geschehen.
Hinzukommt eine sehr plakative, sehr einseitige Abrechnung mit den Systemen, viele Wiederholungen, ein überladener Plot, der irgendwann nicht mehr funktioniert. Mein Fazit: hier wurde mehr gewollt als gekonnt. Schade.
Anne Freytag – Reality Show
dtv, Oktober 2021
Klappenbroschur, 460 Seiten, 16,95 €