Was für ein Debüt! So spannend, fesselnd und dabei auch noch wirklich gut geschrieben, wirklich lesenswert.
Dazu kommt noch eine ungeplante Aktualität, dadurch, dass man einiges über die Lebensweise in Sowjetrussland lernt, auch wenn der Roman in den Vierziger Jahren spielt, während des Zweiten Weltkriegs. Ich habe natürlich keine Ahnung, wie exakt die Einblicke in die Geheimdienste und die Zustände bei der Armee zutreffen, vermutlich (oder wahrscheinlich) war es aber eher noch viel schlimmer als hier beschrieben. Davon, wie es dort heute zugehen mag, ganz zu schweigen.
Man ist sofort drin in dieser Geschichte, mit den ersten Sätzen fängt Jeannette Limbeck die Leserin ein, wenn sie schildert, wie die blutjunge Katja, eigentlich Teil der Evakuierung einer Firmenbelegschaft, herausgerufen wird, um Mitglied der neu gegründeten Frauen-Fliegerstaffel zu werden. Hier trifft sie ihre Freundinnen wieder, Sascha, Natascha und andere, mit denen sie zusammen die Kunstfliegerei betrieben hatte. Jedenfalls bis zu dem Tag, an dem ihre Eltern verhaftet wurden. Seither hat sie keinen Kontakt mehr zu ihnen, weiß nichts über ihren Verbleib.
So hat der Agent des Geheimdienstes leichtes Spiel, sie zu erpressen. Spioniert sie ihre Kameradinnen aus, so will er ihr Neuigkeiten über das Ergehen ihrer Eltern zukommen lassen. Aber ist das ehrlich oder spielt er ein falsches Spiel? Und sind alle die anderen Fliegerinnen ehrlich oder bespitzeln sie sich gegenseitig?
Es dauert, bis die jungen Frauen endlich in die Schlacht dürfen und sich dort bravourös bewehren. Doch es kehrt keine Ruhe zwischen ihnen ein, Misstrauen sät Misstrauen, Missverständnisse führen zu Katastrophen. All die Andeutungen, die der Agent gegenüber Katja fallen lässt, alles, was sie über ihre Kameradinnen herausfindet und kaum glauben kann, das ist hochspannend, sehr dramatisch und die Qualen und Gefühle der jungen Frauen absolut nachvollziehbar. Dazu kommt ihr ewiger Kampf um Anerkennung, gegen die Verachtung der männlichen Flieger.
Jeannette Limbeck hat, so erzählt sie selbst, ganze zwanzig Jahre über dieser Geschichte „gebrütet“, hat recherchiert und nachgeforscht. Und das Ergebnis kann sich wirklich sehen lassen. Die Figuren sind gut ausgearbeitet, ihr Agieren und Fühlen verständlich, so dass man mitfühlt und mitleidet, vor allem mitfiebert, ob Katja aus all den Klemmen, in die sie gerät, herausfinden kann.
Einziges Manko, dass ich zu beanstanden hätte – aber das ist Jammern auf sehr hohem Niveau – sind die in meinen Augen unnötigen und manchmal unmotiviert wirkenden Perspektivwechsel. Es hätte mir schlicht besser gefallen, die gesamte Geschichte nur aus Katjas Sicht zu erfahren, statt mal in den Kopf von Sascha, mal in den der Regimentsleiterin zu schauen, mal den Gedanken des Geheimdienstmannes zu folgen und mal einer anderen Fliegerin aus der Staffel. Dazu wechselt die Autorin dann mal in die dritte Person, während andere Perspektiven in Ich-Form geschrieben sind. Das stört den Fluss, die Stringenz, tut aber der Spannung keinen gravierenden Schaden an.
Am Schluss bleibt nur der Wunsch, zu erfahren, wie es mit den Fliegerinnen weitergeht. Oder noch mehr die Hoffnung, dass Jeanette Limbeck mal das Prequel zu ihrem Roman schreibt, denn es würde mich sehr interessieren, wie all die jungen Frauen dahin kamen, wo sie im vorliegenden Buch sind.
Jeannette Limbeck – Die Fliegerinnen
grafit, September 2022
Klappenbroschur, 397 Seiten, 16,00 €