Hast du schon einmal ein Buch veröffentlicht, allein oder gemeinsam mit anderen? Wenn ja, dann kennst du das Gefühl beim Loslassen müssen. Dieses „Jetzt ist es soweit, ab jetzt kann ich nichts mehr ändern, habe ich keinen Einfluss mehr.“
Ich habe dieses Gefühl einmal mit dem Moment verglichen, wenn Kinder das Haus verlassen, um ab jetzt allein durch die Welt zu gehen. Falls du Kinder hast, die schon halb oder ganz erwachsen sind, kannst du das sicher nachempfinden. Wobei, mit dem ersten Buch, dass dein Haus verlässt und allein in die Welt hinausgeht, ist es noch anders. Denn die Kinder kommen doch immer wieder nach Hause, du bleibst in Verbindung, kannst ihnen immer noch einmal die Hand reichen, Ratschläge geben (auch wenn die nicht immer gerne angenommen werden 😉). Dein Buch aber ist vollkommen abgenabelt, es schwimmt ab jetzt allein im Meer der Bücher.
Durch ein Buch, das ich diese Woche las, kam mir dieser Vergleich in den Sinn: Dein Buch, das du loslässt, ist wie eine Flaschenpost. Du schickst es ab, weißt nicht, ob und wenn ja wo es ankommt, wer es liest und was er oder sie mit dem Gelesenen anfängt.
Irgendwie gefällt mir dieser Vergleich, denn er hat auch etwas romantisches, geheimnisvolles, mystisches. Wie der Absender einer Flaschenpost weiß auch der Autor eines Buches nicht, ob der Empfänger seiner Botschaft ihn versteht, darin das liest, was er ausdrücken möchte. Und vielleicht, im schlimmsten Fall, landet die Botschaft irgendwo an einem einsamen Strand, vulgo Bücherregal, wo sie niemand findet.
Hingegen im idealen, schönsten möglichen Fall für uns Schreibende erreicht unser Buch den einen Leser, diese eine Leserin, die in unseren Zeilen versinkt, uns versteht. Ja, die uns vielleicht sogar auf unsere Botschaft antwortet. Und wenn es ganz besonders kommt, dann begegnest du der Empfängerin deiner Botschaft, auf einer Lesung, auf einer Buchmesse, wo auch immer.
Das ist doch dann wieder ein sehr schönes Gefühl, fast so, wie wenn dein Kind immer wieder gerne zu dir nach Hause kommt und vielleicht irgendwann einmal sagt, wie schön es zu Hause ist und immer war.
Dieses Gefühl hält dann so lange vor, bis du dein nächstes Buch, deine nächste Erzählung fertig geschrieben, überarbeitet, lektoriert und schließlich beendet hast. Und sie dann in die Welt hinaus entlässt.
Zu gerne wüsste ich, ob andere Autoren oder Autorinnen das ähnlich fühlen wie ich. Stumpft man dabei im Laufe der Zeit ab, oder empfindet man immer noch so beim zehnten oder zwanzigsten Roman, den man veröffentlicht?
Bei all den Büchern, die Tag für Tag erscheinen und die Regale in den Buchhandlungen füllen, muss man sich da nicht ohnehin fragen, ob es ein weiteres braucht, ob du oder ich einen weiteren Roman, eine weitere Anthologie veröffentlichen müssen. Ich möchte das mit dem Vergleichen nicht übertreiben, aber auch hier bietet sich der Vergleich mit den Kindern an, oder nicht? Viele stellen sich doch die Frage, ob man heutzutage überhaupt noch Kinder bekommen sollte. Vielleicht hast du es mitbekommen, in dieser Woche wurde der achtmillionste Mensch auf der Erde geboren. Irre, oder? So viele Menschen leben jetzt gleichzeitig auf unserem Planeten. Und das, wo dieser doch so gefährdet ist.
Diese Fragen sind viel zu schwierig, viel zu philosophisch, um sie hier zu diskutieren. Meine Meinung dazu ist jedoch: genauso, wie jedes Kind ein Schatz ist, es wert ist, geboren zu werden, genauso ist auch jedes Buch es wert, geschrieben zu werden.