Lea Stein – Altes Leid

Eine von Kriegs- und Nachkriegserlebnissen geprägte junge Frau wird 1947 eine der ersten Polizistinnen in Hamburg. Als „Weibliche Polizei“ dürfen sie Schutzpolizeidienst machen, den Schwarzmarkt kontrollieren, bei Razzien dabei sein und ansonsten vor allem Bürodienst leisten.

Ida Rabe jedoch lässt sich nicht in ein Büro sperren, zumal für die Erstellung von Akten und Protokollen das Papier fehlt. Als immer mehr Frauen den Diebstahl kleiner Schmuckstücke anzeigen und dabei ganz eindeutig völlig verstört wirken, kommt sie dahinter, dass diese Frauen offensichtlich nicht nur beraubt, sondern auch vergewaltigt wurden.

Leider bekommt sie von den männlichen Kollegen keine Unterstützung und auch die einzige andere weibliche Kollegin, Tochter des berühmten Oberkommissars, scheint eher ein Mäuschen und wenig Hilfe.

Als schließlich eine Tote gefunden wird, furchtbar zugerichtet und nicht identifizierbar, beginnt Ida auf eigene Faust zu ermitteln, immer wieder ermahnt und zusammengestaucht von ihren Vorgesetzten. Schließlich gerät sie selbst in Gefahr.

Ida selbst hat auch eine etwas dubiose Vergangenheit, die ihre Kollegen bei der Polizei besser nicht erfahren sollten, die dabei gemachten Erfahrungen kommen ihr jedoch immer wieder zugute.

Die Autorin, die hier unter Pseudonym schreibt und deren unter ihrem wahren Namen veröffentlichen Romane mir ganz gut gefielen, schafft es, die Atmosphäre des zerstörten Hamburgs, die Elendsgestalten auf dem Schwarzmarkt, den Hunger und die Verzweiflung der Menschen sehr plastisch zu beschreiben. Dieser Aspekt wie auch die Darstellung der Probleme der weiblichen Polizei im Verhältnis zu den männlichen Beamten, die sich schwer tun, die Frauen als gleichberechtigte Kollegen zu akzeptieren, gelingt ihr gut.

Dennoch hadere ich etwas mit diesem Roman, der keine rechte Spannung entwickelt. Das Verhalten und das Vorgehen der Protagonistin wirkt auf mich nicht schlüssig. Immer hetzt sie von einem Verhör zur nächsten Wohnung eines der Opfer, rettet hier ein kleines Kind, ermahnt dort zwei diebische Jungs. All das ungeachtet ihre eigentlichen Aufgabe, ihrer dauernden Verweise, ständig ihre Befugnisse überschreitend. Das scheint mir doch reichlich unrealistisch, zumal alles gleich am ersten Arbeitstag Idas beginnt.

Alles in allem ein atmosphärisch gelungener, spannungs- und figurentechnisch ausbaufähiger Roman. Man darf auf die weiteren Bände um die junge Ermittlerin gespannt sein.

Lea Stein – Altes Leid
Heyne, Januar 2023
Klappenbroschur, 447 Seiten,  16,00 €


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