Die ungemein fesselnden, dabei nie langweiligen Lebensgeschichten zweier Pioniere der Luftfahrt. Otto Lilienthal und Ferdinand von Zeppelin – ihnen beiden folgen wir durch ihr Kindheit und Jugend, beobachten sie bei den mal gelungenen, mal missglückten Versuchen, sich in die Lüfte zu erheben.
Ganz wunderbar gelingt es dem Autor, mit leichter Feder, immer ein gewisses Augenzwinkern zwischen den Zeilen, die Lebenswege dieser beiden Männer nachzuzeichnen, die zwar mehr oder weniger gleichzeitig lebten, sich aber, soweit man weiß, nie begegneten.
Beginnend mit ihrer Geburt, ihrer Kindheit, die unterschiedlicher kaum sein könnten, begleiten wir Otto Lilienthal, der als Ältester einer wirklich bitterarmen Familie in Anklam aufwächst, durch seine Jugend, spüren, wie sehr er glüht für seinen Wunsch, wie die Störche zu fliegen. Wie er allen Widrigkeiten zum Trotz, auch dank der liebevollen Unterstützung seiner Mutter und des unerschütterlichen Glaubens seines jüngeren Bruders, immer wieder Flügel baut und immer wieder neue Versuche unternimmt, sich vom Boden zu lösen.
Dagegen der Sohn eines Grafen, eines fürstlich-hohenzollernschen Hofmarschalls und Baumwollfabrikanten, Graf Ferdinand von Zeppelin. Der als Kind davon träumt, mit einem Ballon aufzusteigen, einen baut, damit peinlichen Schiffbruch erlebt, seinen Traum aber niemals aufgibt. „Kein anderes Gefühl kam dem Gefühl gleich, das er jetzt in diesem Augenblick empfand, da er zum ersten Mal der Erde entfloh: ein unglaubliches Vergnügen, pures Glück, die Essenz der irdischen und himmlischen Freuden.“ (S. 156). Auch als Erwachsener lässt er nicht von diesem Traum, dann bereits davon überzeugt, dass ein solcher Ballon einen Antrieb, eine Steuerung benötigt, um militärisch verwendbar zu sein.
In getrennten Kapiteln, mal hier, mal dort, erleben wir diese beiden jungen Männer, der eine als bettelarmer Student in Berlin, der andere als Militärattaché im amerikanischen Bürgerkrieg. Der eine immer wieder abstürzend, der andre seine hochfliegenden Pläne verfolgend. Auch ihr privates Leben wird geschildert, Episoden, die es hervorragend schaffen, das Zeitkolorit erstehen zu lassen.
Und immer wieder diese ganz leichte Humor, der in allen Zeilen mitklingt, immer respektvoll, immer voller Hochachtung, aber dennoch nicht immer alles bierernst nehmend. Ein ganz wunderbarer Schreibstil, den man hier bei Axel S. Meyer entdecken darf. Ein ganz wunderbares Buch, das nicht für sich in Anspruch nimmt, eine exakte Abbildung der Realität zu sein, nein, viele kleine Ereignisse haben sich wahrscheinlich so nie zugetragen. Wiewohl sich das Ganze in der Mitte etwas zieht, weil manches zu detailliert geschildert wird, wird ein anderes Mal wird ein allzu großer Zeitsprung gemacht. Dem Charme des Buches tut dies jedoch keinerlei Abbruch.
Axel S. Meyer – Der Sonne so nah
Kindler, Januar 2023
Gebundene Ausgabe, 479 Seiten, 24,00 €