„Und so bin ich müde geworden und mutlos: Was nützt es, immer wieder dasselbe anzuprangern und um die Aufmerksamkeit und die Solidarität der anderen zu bitten, wenn um die Ecke herum irgendwo auf der Welt schon der nächste Idiot wartet, seinen Hass gegen uns und andere Minderheiten auszuleben, ein Blutbad anzurichten und im Internet bejubelt zu werden.“ (S. 53.)
Solche Sätze sind es, die einen verstummen lassen während der Lektüre dieses dünnen, aber so ungemein wichtigen Buchs. Dieses Buch, das in wenigen Erzählungen die Lebens- oder vielmehr die Leidensgeschichten von Überlebenden des Terrors in Auschwitz darstellt.
Christoph Heubner, Vizepräsident des Internationalen Auschwitz-Komitees, hat diesen Überlebenden hier eine Stimme gegeben, in diesem dritten und letzten Band einer Trilogie. Die ersten Bände erschienen 2019 „Ich sehe Hunde, die an der Leine reißen“ und 2021 „Durch die Knochen bis ins Herz“. In diesen Büchern fasst er die Erinnerungen der Überlebenden, die ihm zu Freunden wurden, zusammen.
Da ist das kleine Mädchen, das von SS-Schergen mit zwei anderen zusammengebunden und in die Donau geworfen wird. Es überlebt nur dank der früheren unermüdlichen Anstrengungen ihres Vaters, ihr das Schwimmen beizubringen.
Da ist der Junge, der mit seinem Freund und Idol Ernest kurz vor Kriegsende auf einen Fußmarsch von Auschwitz nach Gleiwitz gezwungen, dort in einen Zug verladen wird, bei Eis und Schnee, und von diesem in Zwickau zu fliehen versucht. Viele Jahrzehnte später möchte er erfahren, was genau damals mit Ernest geschah.
Und da ist die junge Frau, die etliche Jahre nach dem Krieg glaubt, einer ihrer Peinigerinnen in Paris wieder zu begegnen.
All diesen Menschen gibt Christoph Heubner eine Stimme, die man hören muss, die man lesen muss. Besonders, da sich die Überlebenden immer schwer taten und tun, ihre eigenen Geschichten zu erzählen: „So habe ich existiert, fleißig und arbeitsam, kein Wort darüber zu meiner eigenen Tochter und auch mit meiner Frau, die doch auch dort gewesen war, kaum ein Wort. Als hätten wir etwas zu verbergen, so haben wir lange Jahre unseres zweiten Lebens verbracht.“ (S. 46)
Christoph Heubner – Als wir die Maikäfer waren
Steidl, Januar 2023
Gebundene Ausgabe, 96 Seiten, 14,80 €