Eine alleinerziehende Mutter folgt mit ihrem kleinen Kind den Walen. In diesem einen Satz lässt sich, sehr prosaisch, die Handlung des Buches zusammenfassen. Der aber gar nicht so prosaisch ist, sondern durchaus seine poetischen Abschnitte hat. Leider aber auch etliche sehr langatmige, um nicht zu sagen langweilige.
Es handelt sich dabei nicht um einen Roman, sondern um die Geschichte der Autorin, die als Umweltingenieurin erst in der Klimaforschung arbeitete, seit langem aber bereits in Journalismus tätig ist. Nachdem die junge Frau bereits einmal im Norden, in der Arktis, gelebt und geforscht hatte, kehrt sie nun zurück, zusammen mit ihrem kleinen Sohn Max. Sie reisen mit Schiff, Bahn und Bus von Mexiko nach Norden, um dort den Walen zu folgen, die ebenfalls mit ihren Jungen reisen – soweit die Parallele.
Die Autorin springt bei ihrer Erzählung der Ereignisse stets durch die Zeiten. Mal berichtet sie von den Erlebnissen während ihrer ersten Reise nach Alaska, mal von Geschehnissen in ihrer Kindheit auf Jersey, dann wieder folgt man ihr bei ihrer aktuellen Unternehmung. Dazwischen dann wieder halbwissenschaftliche Betrachtungen zum Thema Wale, Umweltschutz und ähnlichem.
Die konkrete Handlung beginnt, als die junge Mutter in einem Heim für obdachlose Mütter untergekommen ist, weil sie aufgrund ihrer Mutterschaft alles verloren hat. Und hier sind wir auch schon bei dem, was mich an diesem Buch sehr gestört hat: Die Autorin versinkt in Selbstmitleid, sie jammert über das, was sie verloren hat, gibt daran ihrem Sohn die Schuld. Sie ist ständig überfordert mit der Versorgung des Kindes, trauert ihrem früheren Leben nach. Immer wieder scheinen diese Gedanken durch, wobei man zugutehalten muss, dass sie es auch verwendet als Gegenpol zur mütterlichen Sorge bei den Walen. Dieser Vergleich zieht sich durch das Buch als roter Faden.
Dann wieder gibt es wunderschöne Beschreibungen dessen, was sie erlebt, von ihren Walbeobachtungen, von den Begegnungen mit den Menschen in der Arktis, den Iñupiat, von ganz herzigen und liebevollen Momenten mit ihrem Kind.
Doch insgesamt sind einerseits die vielen Zeit- und Ortssprünge sehr verwirrend und andererseits vieles zu ausführlich und zu wenig spannend beschrieben. So dass das Buch am Ende meine Erwartungen nicht erfüllen konnte.
Doreen Cunningham – Der Gesang in den Meeren
aus dem Englischen von Karin Witthuhn
Rowohlt Hundert Augen, November 2022
Gebundene Ausgabe, 367 Seiten, 23,00 €