Dass vieles, wenn nicht fast alles, was beim Schreiben eines Drehbuchs beachtet werden sollte, was hilft, es besser zu machen, auch für das Schreiben eines Romans gilt, ist offensichtlich. Und wenn man dann nur einen einzigen Tipp aus solch einem Ratgeber wie dem vorliegenden übernimmt, ihn künftig anwendet und Nutzen daraus zieht, dann hat sich die Lektüre meiner Meinung nach in jedem Fall gelohnt.
Wobei man aus diesem Buch der beiden Autoren, die bereits viele, auch sehr bekannte Drehbücher verfasst haben und beide auch als Regisseure und Dozenten tätig sind, unbedingt mehr als nur einen sinnvollen und hilfreichen Tipp mitnehmen kann und sollte.
Für mich ist es vor allem und zuerst die „Und weil…“-Regel, die hier beschrieben wird und die mir so einfach wie genial erscheint.
Ganz unbestritten – und ganz in Übereinstimmung mit meiner eigenen Überzeugung – verfechten die Autoren die Meinung, dass die Figuren, ihre Ausgestaltung und die ihrer Motive, das absolut Entscheidende bei einem Drehbuch wie bei einem Roman sind. Das bedeutet, dass sie sich in ihrem Buch vorrangig auch mit der Erschaffung und Charakterisierung der Figuren beschäftigen.
Dabei war es interessant zu lernen, dass Schauspieler und Schauspielerinnen ein besonders feines Gespür dafür entwickeln, wenn eine Figur nicht authentisch, nicht stimmig und schlüssig ist. Wenn beispielsweise in einer Szene eine Figur heftig in Tränen ausbrechen soll laut Drehbuch, die Schauspielerin das aber in diesem Moment nicht nachfühlt, dann, so die Theorie von Mertens und Werner, ist die Szene nicht fertig durchdacht, sind die Emotionen der Figur nicht nachvollziehbar. Und das eben nicht nur für die Darstellerin, sondern dann auch für die Zuschauerinnen und Zuschauer.
Diesem Ansatz folgend gliedert sich das Buch in Kapitel, die sich damit beschäftigen, und zwar im Hinblick auf die Haupt- ebenso wie auf die Nebenfiguren. Hier sind die Entwicklungen der Figuren das Entscheidende, die wiederum darauf beruht, dass die Hintergrundgeschichten, die Vergangenheit, Erlebnisse, Schicksale, die die Figur geprägt haben, klar sind, zumindest für die Verfasser eines Drehbuchs/Romans.
Damit die Entwicklung nachvollziehbar ist, muss der Punkt klar erkennbar sein, wo diese Entwicklung beginnt. Dazu müssen Want und Need der Figur definiert werden. Damit ist gemeint, was die Figur sich wünscht und was sie unbedingt braucht, was nicht dasselbe ist. Die Autoren zeigen zur Veranschaulichung dieser Aspekte diverse Darstellungen, Tabellen und machen so die Zusammenhänge klar und deutlich.
Daneben wird immer wieder die Kausalkette, die logische Abfolge der Szenen betont. Nur wenn eine Szene eindeutig und unverrückbar auf der vorigen aufbaut, ist ein Drehbuch (und ein Roman) schlüssig, spannend und bindet Zuschauer wie Leser. An dieser Stelle überschneiden sich die Erläuterungen und Tipps von Mertens und Werner mit den Schilderungen der Heldenreise, dem wohl bekanntesten Plotmodell.
Zu den inhaltlich so wertvollen Punkten, den so nützlichen wie gut erklärten Hinweisen kommt der wirklich sehr flüssige, gut lesbare und sehr eingängige Schreibstil der beiden Autoren. Was es sehr leicht macht, ihren Erläuterungen zu folgen, sie zu verstehen. Und sie im eigenen Schreiben dann hoffentlich auch umzusetzen.
Für jeden und jede Schreibende ein unbedingte Leseempfehlung
Christian Mertens & Bartosz Werner – So bekommen Sie Ihr Drehbuch in den Griff
Herbert von Halem Verlag, September 2022
Taschenbuch, 241 Seiten, 26,00 €