Etwas märchenhafte Geschichte um herzkranke Jungen in einem DDR-Sanatorium
Dieser Roman lässt mich etwas ratlos zurück. Was zuerst einmal daran liegt, dass mir die zeitliche Einordnung fehlt. Nirgends wird angegeben, wann die Handlung spielen soll. Vermutlich trägt sich diese Geschichte in den fünfziger Jahren zu, in der noch jungen DDR. Auch der Schreibstil des in Köln geborenen und heute in Dresden lebenden Autors wirkt wie aus dieser Zeit.
Der 14-jährige Wilhelm kommt kurz vor Weihnachten in das Sanatorium nahe Dresden. Er leidet unter starken Herzschmerzen, hat Schwächeanfälle, doch kein Arzt kann feststellen, was genau ihm fehlt. In der Kurklinik herrscht ein strenges Regiment, die Anordnungen und Regeln sind zahlreich und streng. Wilhelm zieht mit vier anderen Jungen in ein Zimmer und schnell bilden diese Jungen eine Bande, ähnlich wie in den Büchern, die einer von ihnen, Bruno, so gerne liest.
Besonders beeindruckt ist Wilhelm von der Lernschwester Ilona, die, obzwar einige Jahre älter als die Jungen, zu seiner ersten Liebe wird. Die junge Frau lässt sich von Wilhelm immer wieder zu Schabernack und verbotenen Ausflügen verleiten, ebenso wie die anderen Jungen aus seinem Zimmer. Die Bestrafungen sind hart und – so scheint es mir – für kranke Kinder doch dann eher unangemessen, wie beispielsweise das Abspritzen mit eiskaltem Wasser mitten im Winter.
Die Erlebnisse sind nett beschrieben, auch die immer wieder bei den anderen Jungen zutage tretenden Krankheitserscheinungen wie Schwächeanfälle oder Ohnmachten, sorgen für eine gewisse Spannung. Dazu kommt die Sorge Wilhelms um seine Mutter, die von ihrem eigenen Vater, in dessen Wohnung sie mit Wilhelm lebt, immer wieder drangsaliert wird.
Das Buch wirkt auf mich eher wie ein Kinderbuch. Es ist berührend, das ja, aber auch zu rührend, zu kitschig und zu unrealistisch für die heutige Zeit. Dass ein Junge in diesem Alter und zu dieser Zeit nicht weiß, was ein Engel ist, scheint mir doch eher unglaubwürdig. Ebenso, dass er noch nie von Röntgengeräten gehört hat, obwohl das vielleicht sein mag.
Alles in allem eine anrührende, aber etwas arg aus der Zeit gefallene Geschichte.
Ralf Günther – Winterherz
Kindler, September 2023
Gebundene Ausgabe, 141 Seiten, 18,00 €