Abwechslungsreicher Krimi voller Tempo und Humor, wunderbar geschrieben
So wünscht man sich einen Kriminalroman, so ist ein Krimi, den man nicht mehr aus der Hand legt, bevor die letzte Seite erreicht ist.
Wenn nur dieses arg langweilige Cover und der noch nichtssagendere Titel nicht wären, die dem Inhalt wirklich nicht gerecht werden. Es ist zu hoffen, dass sich davon niemand abhalten lässt und dieses Buch viele Leserinnen und Leser findet.
Worum geht es: Tabea Kummer (Nomen est omen) hat kein gutes Verhältnis zu ihrem Schwiegervater Herbert. Auch ihr Mann Ludwig hält lieber Abstand zu seinem stets Unfrieden stiftenden Vater. Doch weil sie ihre Wohnung in Zürich aufgeben müssen, bietet sich Herberts wunderschöne Villa in Ascona als möglicher neuer Wohnsitz an.
Aber dann findet Tabea ihren Schwiegervater tot auf. Es stellt sich heraus, dass Herbert Kummer keines natürlichen Todes starb, sondern offensichtlich vergiftet wurde. Da nun auch jeder davon ausgeht, dass Ludwig zu den Haupterben von Haus und Vermögen gehört, steht vor allem Tabea zunächst in Verdacht. Doch wie das so ist, gibt es natürlich noch mehrere andere Menschen in Herberts Umfeld, die als Täter oder Täterin in Frage kämen. Denn der Dahingeschiedene verdarb es sich wirklich mit jedem und jeder, wie sich nach und nach herausstellt.
Tabea, deren Ehemann mehr als nötig die Nähe der überaus gutaussehenden Kriminalkommissarin sucht, beginnt nun selbst, nachzuforschen. Nur gibt es leider viele Hinweise, aber keine echte Spur. Nach und nach steckt Tabea also ihre Nase immer tiefer in die Angelegenheiten derjenigen, die ein Motiv für den Mord an Herbert zu haben scheinen. Das aber bekommt ihr irgendwann nicht gut, ja sie gerät selbst in arge Bedrängnis.
Das Ende, die Auflösung, ist dann vollends überraschend und somit perfekt gelungen, denn man kann sie, da die durchaus vorhandenen Spuren so geschickt versteckt sind, nicht vorausahnen.
Wenn man die Handlung so zusammenfasst, klingt das nicht sehr spektakulär. Der Plot, so wendungsreich er sein mag, ist aber auch nicht das, was diesen Roman zu etwas besonders empfehlenswerten macht. Es ist der Schreibstil von Alexandra Holenstein, die selbst dort lebt, wo ihr Krimi spielt, sich dort also bestens auskennt.
Immer mit einem Augenzwinkern, mit einem sympathischen Verständnis für die Verschrobenheiten der Menschen, erzählt sie diese Geschichte. Tabea, aus deren Perspektive die Ereignisse erzählt werden, im Wechsel mit der Sicht von Ludwig (was es vielleicht gar nicht gebraucht hätte), zeigt sich immer wieder fassungslos über die unverständlichen Aktivitäten mancher Leute und findet dafür herrliche Worte, plastische Beschreibungen, so dass man beim Lesen immer wieder laut lachen muss. So ist eine der besten Szenen die des Besuchs Tabeas bei Herberts Putzfrau, wo die beiden Frauen im Laufe des Gesprächs ständig aneinander vorbeireden. Herrlich. Die Sätze und Beschreibungen in diesem Buch, die einer wie die andere begeistern, sind nicht mit der Kettensäge, sondern mit allerfeinster Feile geschliffen.
Einzig die ständig vorhandenen Einsprengsel in italienischer Sprache hätte es nicht gebraucht. Diese immer wieder verwendete Methode, Lokalkolorit zu vermitteln, ist nicht nötig, sondern wirkt oft fehl am Platz. Wenn sich Tabea und Ludwig unterhalten und dabei italienische Ausdrücke einflechten, macht das keinen Sinn. Und auch nicht, wenn ein Dialog auf Italienisch geführt wird. Aber sei es drum, wenn das das einzige Manko ist.
Auf die allerletzte Szene, wenn sich alle, wie die Bewohner des berühmten gallischen Dorfs beim Wildschweinbraten, um einen Grill versammeln, hätte man auch verzichten können. Davon unbenommen ist der neue Roman von Alexandra Holenstein uneingeschränkt zu empfehlen – und lässt auf Fortsetzungen hoffen.
Alexandra Holenstein – Mord am Lago Maggiore
emons, April 2024
Taschenbuch, 384 Seiten, 15,00 €