Alexia Casale – Ein Mann zum Vergraben

⭐⭐⭐⭐⭐

Humorvolle Freundschaftsgeschichte mit sehr ernstem Hintergrund

Dieser Roman, den ich binnen weniger Stunden verschlungen habe, ist längst nicht so witzig, wie Titel, Klappentext und Werbung andeuten. Denn vorrangig behandelt er ein sehr ernstes, sehr schlimmes Thema, nämlich Gewalt gegen Frauen.

Dieses schwere Thema verpackt die Autorin geschickt in eine halbwegs leichtfüßige Geschichte, ohne dabei zu leichtgewichtig zu werden. Ich-Erzählerin Sally erschlägt im Affekt ihren Mann Jim, als der sie wieder einmal mit kochendem Wasser verbrühen will. Nun steht sie da, einerseits befreit von einer jahrelangen Quälerei, andererseits konfrontiert mit der Frage: Wohin mit dem toten Ehemann?

Während sie über diese Frage grübelt, entdeckt sie immer mehr, was sie glücklich macht. So beispielsweise Gartenarbeit, für die sie sich Tipps bei der Nachbarin Edwina holt. Diese ältere Dame spielt in der Siedlung die Corona-Polizei. Denn wir befinden uns im Lockdown und strenge Abstandsregeln und Vorschriften für Einkaufen oder Spaziergänge gelten. Was zwar manchen Vorteil mit sich bringt, aber auch viele Schwierigkeiten verursacht.

So ist es ein wirklich enormer Zufall, dass Sally bei ihren nächtlichen Streifzügen auf der Suche nach einem Entsorgungsplatz für die Leiche einer Frau begegnet, die vor dem gleichen Problem steht. Ruths Ehemann starb, gerade als er sie wieder einmal verprügeln wollte. Damit nicht genug, treffen sie schließlich auch noch Samira, die sich ebenfalls ihres Ehemanns entledigte. Vierte im Bunde wird dann Janey, die ehemals beste Freundin Sallys, deren Mann gleichermaßen das Zeitliche segnete.

Damit stehen nun vier Damen mit vier Leichen da, die entsorgt werden müssen. Unter Zeitdruck, mit kuriosen Methoden zur Geruchsverhinderung und immer wieder gestört von besuchenden Kindern oder Handwerkern, suchen die Frauen nach Lösungen, verzweifelt erwägen sie, sich zu stellen, wollen aber andererseits genau dies nicht ihren Kindern antun.

Vor allem aber erkennen sie sich selbst jeweils in den anderen wieder. Nur sie können verstehen, warum eine Frau bei einem Mann bleibt, der sie regelmäßig schlägt, nur sie können nachempfinden, wie es jenen Frauen ergangen ist und wie sie sich nun fühlen.

Das Ganze ist mit viel Humor erzählt, ohne dass es in Klamauk abrutscht. Immer wieder blitzt der Ernst des Themas durch, aber viel Witz und etliche Pointen sorgen für Tempo und einen hohen Unterhaltungswert des Romans. Die letzte Pointe allerdings erahnt man zwar früh, aber auch sie ist sehr geschickt gestaltet und gelingt absolut.

Dass Titel und Klappentext (außer der Formulierung „tyrannische Ehemänner“) wenig auf diesen ernsten Hintergrund hinweisen, empfinde ich als gewisses Manko, denn die Erwartung, die geweckt wird, ist eine gänzlich andere. Dieses Manko aber tritt in den Hintergrund durch die temporeiche und sehr unterhaltsame Erzählweise, durch die erhebliche Spannung um die Frage, welche Entsorgungslösung die Damen denn finden werden und durch den einfühlsamen Stil der Autorin, die sich in dem Thema, wie sie im Nachwort erklärt, auskennt.

So ist zu erklären, dass ich das Buch am selben Tag, als es bei mir ankam, bereits nach ein paar Stunden ausgelesen hatte. Es fesselt, es ist interessant, es berührt und erschüttert und es macht Hoffnung. Denn neben der Ernsthaftigkeit singt es vor allem ein Loblied auf die  Freundschaft.

Sehr empfehlenswert.

 Alexia Casale – Ein Mann zum Vergraben
aus dem Englischen von Christine Blum
dtv, Juli 2024
Taschenbuch, 428 Seiten, 13,00 €

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