Über kurz oder lang

Soll man/frau überhaupt Kurzgeschichten schreiben? Oder doch lieber gleich einen, den Roman? Oder, anders gefragt, warum sollten wir das eine tun und das andere lassen? Müssen wir uns überhaupt für eins entscheiden?

Na ja, aus Zeitgründen vielleicht schon, denn wer an einem Roman schreibt, hat höchstwahrscheinlich damit wirklich genug zu tun und gar keine Zeit, sich auch noch mit einer oder gar mehreren Kurzgeschichten zu beschäftigen. Es sei denn – und das habe ich schon mehrmals erlebt – die Kurzgeschichte ist aus dem aktuellen Romanprojekt heraus entstanden, quasi ein Auszug daraus, der für sich allein stehen kann, abgeschlossen ist und Sinn ergibt. Denn dann macht diese Kurzgeschichte keine extra Arbeit. Im Gegenteil, beim Betrachten und Überarbeiten des Textes arbeitet man ja auch am Roman.

Wenn wir nun aber das Ganze von genau der anderen Seite aus betrachten, dabei daran denken, dass es auf die meisten von uns wie die Ersteigung des Mount Everest – ohne Sauerstoffgerät – wirkt, einen Roman zu schreiben?

Wenn wir es also mal so sehen, dass ein Roman aus einzelnen Kapiteln und diese wiederum aus einzelnen Szenen bestehen. Und diese Szenen sind im Grunde in sich (mehr oder weniger) abgeschlossene Geschichten, die ein Ereignis im Ablauf der Romanhandlung schildern. Und was ist eine Kurzgeschichte? Eine abgeschlossene Geschichte in, zumindest laut Lehrbuch, einer Szene, die ein Ereignis schildert. Dabei können wir daran denken, dass sowohl eine Romanszene wie auch eine Kurzgeschichte oft und gerne ein offenes Ende haben.

Also? Was folgern wir daraus? Ein Roman besteht aus lauter Kurzgeschichten. Punkt. So wie die Gipfelbesteigung aus einzelnen Teilstücken besteht (wovon ich nicht mal eines schaffen würde, aber das nur nebenbei). Und wenn wir es von dieser Seite besehen, wirkt es doch plötzlich gar nicht mehr so einschüchternd, oder?

Heißt das jetzt, dass es total easy ist, einen Roman zu schreiben? Weil man ja eigentlich nur lauter Kurz- und Kürzestgeschichten schreiben muss? Nein, natürlich nicht. Ich werde einen Teufel tun und das behaupten. Aber es teilt das Riesenprojekt Roman in handliche kleine Pakete. Und diese Pakete haben wir Kurzgeschichtenschreiber*innen doch schon oft gepackt, also wäre es doch gelacht, wenn es diesmal nicht funktionieren würde, nur weil alle Päckchen zusammen den Riesencontainer Roman füllen.

Hm, ja also, dann fangen wir doch mal an…… Oder?

Wir werden sehen. Ich komme auf dieses Thema zurück (und das ist keine Drohung).

2 Kommentare zu „Über kurz oder lang

  1. Liebe Renate,
    ja, ich denke die Entscheidung sollte von vornherein feststehen. Sicherlich kannst du dich einem Roman nähern, indem du Szenen in Kurgeschichtenform schreibst, aber ob ich eine Kurzgeschichte oder einen Roman schreibe ist für mich so unterschiedlich wie Sprinter und Langstreckenläufer. Jeder braucht für seine Disziplin zwar grundsätzlich körperliche Fitness, aber der Sprinter muss seine Energie sofort zur Verfügung stellen, während der Langstreckenläufer aufbaut bzw. ein Grundtempo schafft, eher er noch einmal Energie für den Endspurt aufbringen muss.
    Ich habe schon immer zu dem Romanschreiben tendiert und wurde erst durch meine Schreibgruppe auf nette und freundliche Art „gezwungen“ auch mal Kurzgeschichten für Texthefte oder Ausschreibungen beizusteuern. Mir ist das Kurzgeschichten schreiben sehr schwer gefallen. Alles muss auf den Punkt sitzen, jeder Satz stimmig sein, das Thema schwebt über allem und aufgrund der Kürze ist es unmöglich, einen Charakter so darzustellen, wie ich es mag.
    Inzwischen haben wir uns arrangiert und ich darf (Roman-) Szenen statt Kurzgeschichten schreiben, aber sie funktionieren selten ohne weitere Erklärung. Sicherlich lässt sich aus einer guten Szene eine Kurzgeschichte stricken, aber die besten Kurzgeschichten entstehen meiner Meinung nach von vornherein als Kurzgeschichten.

    1. Liebe Britta,
      ich bin voll und ganz deiner Meinung. Auf jeden Fall muss von Anfang an klar sein: will ich einen Roman oder will ich eine Kurzgeschichte schreiben. Vielleicht habe ich mich nicht klar ausgedrückt, so dass du mich missverstanden hast.
      Ich meinte nicht, dass man es beides gleichzeitig und gar vielleicht auch noch durcheinander schreiben sollte. Oder dass man lauter Kurzgeschichten schreibt und die dann in einen Roman zwingt.
      Worum es mir im Grunde ging, war, die „Angst“ vor der großen Aufgabe ROMAN zu nehmen (vielleicht auch ein bisschen mir selbst…?), indem ich versuchte, dieses Ungetüm, das so beängstigend ist, in kleine Häppchen, in verdauliche Häppchen zu unterteilen. Denn je länger ich Kurzgeschichten schreibe, desto mehr bekomme ich den Eindruck, dass damit die Furcht vor der Herausforderung, einen ganzen Roman zu verfassen, immer größer wird. Zum einen, weil man merkt, wie schwer es schon ist, eine kurze Geschichte zu schreiben und zum anderen, weil natürlich der „Erfolg“, soll heißen das Zu-Ende-Bringen des Textes – und damit das Gefühl „Hurra, ich hab’s geschafft!“ – bei einer Kurzgeschichte früher eintritt. Und wir wissen doch, dass das ein verdammt gutes Gefühl ist.
      Ich glaube aber, mit meinen Erklärungsversuchen verwirre ich nur noch mehr. Das tut mir leid.
      Neuer Versuch: Ich wollte einfach nur vermitteln, dass ein Romanprojekt nicht mehr Arbeit und keine größere Herausforderung ist als wenn eine Autorin 40 Kurzgeschichten schreibt. Denn, so hatte ich geschrieben, ein Roman besteht aus Szenen, die wie eigene kleine Geschichte innerhalb des großen Romans sind.
      Na ja, ich hoffe, meine Kurzgeschichten sind nicht so abstrus wie meine Erklärungsversuche…
      Ich werde mal einen weiteren Blogbeitrag zu dem Thema verfassen und hoffe auf viele weitere Kommentare. Ich finde diese Frage nämlich spannend.
      Liebe Grüße
      Renate

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