Jo Lendle – Die Himmelsrichtungen

⭐⭐⭐

Biografie einer mutigen Frau – interessantes Thema unbefriedigend umgesetzt

Grundsätzlich sind Biografien fesselnd, ganz besonders dann, wenn die Person, die im Mittelpunkt steht, eine faszinierende Persönlichkeit ist. Eine Biografie in Romanform ist eine Möglichkeit, das Leben einer solchen Persönlichkeit zu schildern – nicht immer gelingt das jedoch.

Amelia Earhart ist nicht die erste Frau, die ein Flugzeug fliegt. Aber sie ist in vielen anderen Dingen die Erste, nicht zuletzt bei der Überquerung des Atlantik von Amerika nach Europa ohne Zwischenlandung. Sie, die sich eigentlich nie für eine Kämpferin für Frauenrecht hält und auch nicht so gesehen werden möchte, kämpft – vielleicht gerade darum – an vielen Fronten doch einigermaßen erfolgreich. Bei einem Wettfliegen zwischen amerikanischen Pilotinnen sorgt sie zusammen mit anderen dafür, dass sie als Pilotinnen die gleichen Rechte bekommen wie die Männer, dass sie nicht von diesen begleitet, beschützt und angelernt werden müssen.

Sie hält Vorträge, sie verkehrt in höchsten Kreisen, sie verbringt eine Nacht mit der Präsidentengattin Eleanor Roosevelt, sie heiratet, sie lässt sich scheiden, heiratet erneut. Und sie beschließt, die Welt mit dem Flugzeug zu umrunden. Diese Entscheidung, diesen Flug wird sie nicht überleben. 1937 kommt Amelia Earhart von ihrem Flug nicht zurück, gilt als vermisst.

Jo Lendle erzählt die Geschichte der Flugpionierin Amelia Earhart in Ich-Form, eine Erzählweise, die mich während der ganzen Lektüre des Buchs sehr irritiert hat. Denn er kriecht quasi in ihren Kopf, maßt sich also an, ihre Gedanken und Gefühle zu kennen. Das mag bei einem fiktionalen Roman funktionieren, bei einer Biografie finde ich es befremdlich.

Und er erzählt ihre Geschichte in losen Episoden, eingeschoben in die Beschreibung ihrer letzten Tage und Stunden auf diesem letzten Flug. Er tut das in diesen Rückblicken allerdings leider rückwärts und ohne Erklärung, ohne Erläuterung. Es treten Menschen auf, mit denen sie zu tun hat, die sie kennt, mag oder mit denen sie streitet, aber man erfährt nicht, wer diese Personen sind. Viele Namen tauchen auf und verschwinden wieder, ohne dass man mehr über diese Menschen erzählt bekommt.

Diese Art des Rückwärtserzählens lähmt auch jede Spannung. Dazu erwähnen diese Rückblicke oft Ereignisse, bei denen man sich fragt, warum der Autor gerade von diesen berichtet. Er verliert sich in Nebensächlichkeiten, da wird seitenlang beschrieben, wie sie einen Kuchen backt, wie sie duscht und ähnliches. Dazu die blitzlichtartigen Episoden, die wie zerrissen wirken, zusammenhanglos.

Mich konnte dieser Roman nicht überzeugen, was sehr schade ist, da diese Frau ein spektakuläres Leben führte, das eine spannendere Umsetzung in einen biografischen Roman verdient hätte.

Jo Lendle – Die Himmelsrichtungen
Penguin, August 2024
Gebundene Ausgabe, 251 Seiten, 24,00 €

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert