Angeblich feministischer Roman, der die Erwartungen jedoch nicht erfüllen kann
Die Diskrepanz zwischen Anspruch und Umsetzung ist manchmal schmerzhaft, besonders, wenn man mit dem Anspruch gewisse Erwartungen weckt, denen man dann leider nicht gerecht wird.
So sind Thema und historische Einordnung dieses Romans aus Frankreich hochinteressant, auch weil gerade das Thema bislang wenig bis gar nicht in Romanform auftauchte, jedenfalls, soweit mir bekannt ist.
Es geht um Frauen, die zu Beginn des 18. Jahrhunderts nach Amerika verschifft wurden – man muss diesen Ausdruck verwenden, denn sie wurden wie Ware behandelt. Es sind Frauen, die man aus der Gesellschaft ausgegrenzt hat, die nicht der „Norm“ entsprechen, die vielleicht kleinere oder größere Straftaten begangen hatten oder einfach nur niemanden hatten, der sie schützte. Diese Frauen wurde in der berüchtigten Salpetrière eingesperrt, meist ohne jede Chance, je wieder freigelassen zu werden.
Von diesen Frauen wurden etliche, ohne dass man sie um ihre Einwilligung gebeten hätte, in die neue französische Kolonie La Louisiane – das spätere Louisiana – gebracht als künftige Ehefrauen dort lebender Männer. Diese wollten Familien gründen, brauchten billige Arbeitskräfte und was für andere Gründe es dafür sonst noch gab. Mann und Frau kannten sich nicht, bekamen auch keine Gelegenheit, sich kennenzulernen. Nur wenige Tage nach der Ankunft, nach wochenlanger Überfahrt in überfüllten Schiffen, mit kaum Zugang zu gesunder Nahrung oder frischer Luft, wurden die Frauen verheiratet.
Beispielhaft wird dies im Roman erzählt an drei Frauen, die im Mittelpunkt stehen: Geneviève, Charlotte und Pétronille. Doch nicht nur deren Geschichte erfährt man, auch die etlicher anderer Frauen, jeweils aus der Perspektive einer dieser drei Frauen. Geneviève, die eher Frauen als Männer liebt, kennt sich mit der Arbeit als Engelmacherin aus. Charlotte, fast noch ein Kind, ist als Waise in der Salpetrière aufgewachsen und Pétronille wurde von ihrer Familie dorthin abgeschoben, weil sie sich nicht in die Normen einer adligen Umgebung einfügen wollte.
Die drei, die mit demselben Schiff ankommen, verlieren sich aber immer wieder aus den Augen, so dass ihre Geschichten parallel nebeneinander laufen, begegnen sich dann wieder, nur um wieder längere Zeit voneinander entfernt zu leben. Nachdem zu Beginn der Roman in epischer Breite wenige Tage schildert, springt er später in großen Sprüngen durch die Jahre, verfolgt die Entwicklung der drei Frauen, ihrer Männer und ihrer Kinder. Schließlich tritt auch noch eine weitere Hauptfigur auf, eine Angehörige des Stammes der Natchez.
So fesselnd und interessant das Thema ist, so wenig konnte ich mit der Umsetzung anfangen. Die Erzählweise war langatmig, es traten zu viele Figuren auf, um gleich wieder im Nirwana zu verschwinden. Die Figuren, so plastisch und anschaulich ihre jeweilige Geschichte geschildert wurde, erreichten mich nicht, waren zu spröde, ließen mich nicht mitfühlen. Manche Beschreibungen waren zu lang, andere wieder zu oberflächlich. Insgesamt wurde ich weder mit der Handlung noch mit den handelnden Personen wirklich warm, verlor irgendwann gar das Interesse an ihrem weiteren Schicksal.
Schade, denn in der Tat hätte es ein feministischer Roman sein können, auch weil die Frauen all den Problemen, der Unterdrückung, der Verachtung, die ihnen widerfahren, zu trotzen imstande sind.
Julia Malye – La Louisiane
aus dem Französischen von Sina de Malafosse
Gutkind Verlag, September 2024
Gebundene Ausgabe, 525 Seiten, 24,00 €