Zwei Frauen, die das Leben zusammenführt und die trotzdem nicht zusammenkommen
Klaras Mutter Irene hatte einen Schlaganfall und braucht Betreuung. Paulína kommt ins Haus, wird Teil der Familie, wird immer mehr vereinnahmt. Dafür lässt sie ihre eigene Familie, ihre Söhne, in der Slowakei zurück.
Immer für zwei Wochen kommt Paulína zu Klara und Jakob und ihrer Tochter Ada, um sich um Irene zu kümmern. Wenn sie dann für zwei Wochen zurückfährt in ihre Heimat, zu ihren Kindern, kommt Radek. Doch mit ihm werden Klara und Jakob nicht warm. Paulína hingegen übernimmt immer mehr Aufgaben, putzt, räumt auf, muss sich irgendwann um den neuen Hund kümmern.
Sie widersetzt sich nicht, obwohl sie zweifelt, obwohl sie hadert. Nicht nur mit den wachsenden Aufgaben, dem Gefühl des Ausgenutzwerdens, sondern mit der Tatsache, dass sie immer wieder ihre beiden Söhne bei der Schwiegermutter zurücklassen muss. Die Jungs kommen damit nicht gut zurecht, gewöhnen sich nach und nach daran, was aber zu einer wachsenden Entfremdung zwischen ihnen und ihrer Mutter führt.
So sitzt Paulína, deren Mann sich von ihr getrennt hat und die Jungs ab und zu abholt, stets zwischen den Stühlen. Dabei kann sie sich nie wirklich wohlfühlen im Haus von Klara, fühlt sich dort nicht zuhause. Sie beobachtet die Familie, wundert sich über den Umgang von Klara mit ihrer Tochter.
Klara ist eine Karrierefrau, will Teilhaberin in ihrer Firma werden, arbeitet viel, macht ständig Überstunden. Jakob ist Fotograf, kann sich seine Zeit selbst einteilen, übernimmt aber wenig Verantwortung, auch er drängt immer mehr Paulína auf.
Langsam erst entwickelt sich diese Geschichte, langsam nähert man sich den Figuren, insbesondere den beiden Frauen Klara und Paulína an. Aber auch um Irene geht es, die zwischen guten Phasen immer mehr verwirrt wird, in Erinnerungen versinkt und diese oft nicht mehr von dem aktuellen Geschehen unterscheiden kann.
So verweben sich die Leben, die Geschichten dreier Frauen, die so unterschiedlich sind, die fast nichts gemein haben. Das Ganze beginnt mit Klaras Tod, sie stürzt bei einer Wanderung ab. Nur Paulína war dabei. Was wirklich geschah, erfährt man nicht. War es ein Unfall oder doch ein herbeigeführtes Unglück?
Ein recht tiefgründiger Roman, ohne Dramatik, ohne Tempo, in langsamer Erzählweise, mit wechselnden Erzählperspektiven. Mal folgt man Klara, mal Paulína, mal Irene und mal sogar Riso, Paulínas Ältestem. Sympathisch wird einem bei der Lektüre keine der Figuren wirklich, selbst Paulína, für die man viel Verständnis aufbringt, die man wegen ihrer scheinbar ausweglosen Situation bedauert, bleibt auf Distanz zur Leserin.
Daher ist der Roman keine leichte, keine seichte Lektüre, er regt zum Nachdenken an, zum Hinterfragen von Situationen, die dies von Müttern abverlangen, zum Hinterfragen von Lebensplänen.
Eine Formalie hat mich bei der Lektüre sehr gestört und das sind die fehlenden Anführungszeichen. Warum müssen neuerdings so viele Bücher ohne diese sehr wichtigen und sehr hilfreichen Satzzeichen erscheinen? Nennt mich altmodisch, aber ein Roman liest sich schlicht einfacher und flüssiger mit Anführungszeichen. Zu erkennen, wann eine Figur spricht oder wann sie lediglich denkt, ist durchaus wichtig für das Verständnis der Handlung. Also bitte, liebe Verlage, nicht so wichtige Satzzeichen weglassen. Auch wenn es vielleicht grade so modern ist.
Susanne Gregor – Halbe Leben
Zsolnay, Januar 2025
Gebundene Ausgabe, 189 Seiten, 23,00 €