Fragst du dich auch manchmal, woher ein Autor die Idee hatte, die er in seinem Roman verarbeitet? Ich meine mit Idee hier allerdings zweierlei: einmal die übergeordnete, also sozusagen das Thema des Romans. Für die Ideen dazu gibt es sicher ganz viele verschiedene Quellen. Sei es, dass die Autorin etwas aufgreift, was sie selbst erlebt hat, oder sie hat einen Artikel aus der Zeitung als Inspiration, oder sie möchte ein historisches Thema verarbeiten.
Dann aber gibt es die vielen kleinen Details in einem Roman, kleine Begebenheiten oder winzige Eigenheiten einer Figur, oberflächlich unwichtige Ereignisse, die sich auf die Handlung auswirken, oder die Kleinigkeiten in der Beschreibung eines Ortes, die ihn für uns Leserinnen erst so richtig vorstellbar machen. Da stelle ich mir auch immer wieder die Frage, wie kam der Autor genau darauf, woher hatte er die Idee für dieses unscheinbare, aber beeindruckende Detail.
Ich finde nämlich genau das so bewundernswert an dem Schreibstil mancher Autorinnen und Autoren. Es sind meiner Meinung nach gerade diese Splitter, die das Ganze rund machen, die die Wirkung erzeugen, die der Roman bei uns hervorruft. Lapidar formuliert: Schreiben kann jeder, aber Atmosphäre zu schaffen, das ist die Kunst.
Ehrlich gesagt glaube ich, dass solche Dinge, beispielsweise die besondere Geste, mit der ein Mann eine Frau umarmt im Roman oder der ungewöhnliche Gegenstand auf der Kommode im Zimmer des Protagonisten, der so ungemein viel über diesen Charakter aussagt, einem Autor eher zufliegen als dass er gezielt danach sucht. Gerade letzteres, also Dinge, die unsere Figuren prägen, sie für die Leser begreifbar machen, die tauchen beim Schreiben mehr oder weniger von allein auf. Nämlich dann, wenn wir die Figur sehr gut kennen. Dann haben wir schlicht und einfach eine genaue Vorstellung von dem, was bei ihm zuhause auf der Kommode stehen könnte.
Aber ist es wirklich so einfach? Oder ist es harte Arbeit, solche Inspirationen herbeizuführen, sie quasi aus sich herauszukitzeln? Woher also kommen die Ideen für solche Feinheiten, solche Finessen?
Ein bisschen stelle ich mir das Gedächtnis (oder was auch immer dafür zuständig ist) einer Autorin vor wie einen Schwamm. Ein Schwamm, der alles aufsaugt, was sie sieht und erlebt und was irgendwann einmal in einer Geschichte, einem Roman verarbeitet werden könnte. Und wenn dann der Moment gekommen ist, drückt sie sozusagen auf den Schwamm und heraus kommt genau der Tropfen Erinnerung oder Inspiration, den sie jetzt und an dieser Stelle braucht.
Dazu braucht es aber vielleicht ein andere, besondere Gabe. Nämlich das Sehen. Nicht jeder, der durch eine Straße läuft, sieht das Gleiche. Nicht jedem fällt das Gleiche auf. Die gleitenden Schritte, mit der eine Frau läuft, die leisen Manierismen in der Haltung eines Mannes, die gebastelten Bilder im Fenster eines Hauses.
Noch eine ganz andere Ideen- oder Inspirationsquelle sind sicherlich Orte. Wer schon einmal einen außergewöhnlichen Ort besucht hat und diesen auf sich wirken ließ, der weiß oder ahnt wenigstens, welch wunderbare Quelle das sein kann. Wobei man diesen Ort vielleicht gar nicht wirklich selbst besuchen muss – obwohl ich glaube, dass die wahre Stimmung nur kommt, wenn man leibhaftig dort ist – sondern vielleicht reicht es auch, Fotos davon anzuschauen.