Held dieses Romans ist ein herrlich verpeilter Kauz, bei dem man sich als Leserin nicht entscheiden kann, ob man ihn mag oder nicht, ob man ihn bemitleiden oder sich über ihn ärgern soll.
Die erfolgreiche Bestsellerautorin Alina Bronsky erzählt von Walter Schmidt. Rentner und langjähriger Ehemann von Barbara. Die ihn, wie man annehmen darf, all die Zeit hindurch sehr verwöhnt hat, so dass er keinerlei Pflichten im Haushalt übernehmen musste. Walter weiß daher nicht, wie man Kaffee kocht oder gar einen Kuchen backt.
Diese Herausforderungen aber brechen über ihn herein, als Barbara eines Morgens nicht mehr aufsteht. Sie ist krank, ohne dass er herausfindet, was ihr fehlt. Nun steht Walter in der Küche, weiß nicht, wie man die Kaffeemaschine bedient, wo sich die nötigen Utensilien befinden. Und er weiß nicht, wie er mit Barbara und ihrem Zustand umgehen soll.
Doch er ist auch zäh, er stellt sich diesen Dingen, findet Lösungen, die nicht immer die einfachsten sind, aber die ihn auf Umwegen zum Ziel führen. Besonders beim Kochen baut er auf einen Fernsehkoch, dessen Beiträge er schließlich sogar auf Facebook verfolgen kann.
Sein Sohn Sebastian, mit dem er nicht das allerbeste Verhältnis hat und seine Tochter Karin kommen sporadisch vorbei, um zu helfen. Sebastian sorgt auch dafür, dass Barbara zum Arzt geht. Die Diagnose ist erschreckend, doch Walter fragt nicht danach. Er fürchtet sich, er thematisiert die Krankheit nicht. Seine einzige Sorge ist, dass Barbara isst, doch sie hat kaum Appetit.
So dreht sich der Roman vorrangig ums Kochen und um Walters Anstrengungen und Fortschritte dabei. Das macht die gesamte Geschichte etwas einseitig und mühsam. Trotz des kauzigen Protagonisten hat mich der Roman nicht so berührt, wie ich es erwartete. Barbara vor allem bleibt sehr blass, nur aufgrund von vagen Rückblicken Walters auf den Anfang ihrer Ehe erfährt man ein wenig über sie, ihr Charakter aber bleibt farblos.
Hingegen gelingt es der Autorin, deren Stil ich als sehr angenehm und passend empfand, die Entwicklung Walters, seine Fortschritte und seine Veränderung, nachvollziehbar und authentisch zu schildern. Es wirkt stets realistisch, wie er sich die nötigen Kenntnisse aneignet, wie er mit Fehlschlägen umgeht und wie er auch mit sich selbst ins Gericht geht. Und am Ende für manches Verantwortung übernimmt, worüber er selbst vermutlich am meisten erstaunt ist.
Alles in allem ein unterhaltsamer, warmherziger Roman um einen Mann, der im hohen Alter noch viel zu lernen imstande ist.
Alina Bronsky – Barbara stirbt nicht
Kiepenheuer & Witsch, September 2021
Gebundene Ausgabe, 256 Seiten, 20,00 €
Die Beschreibung der Hauptfigur erinnert mich sofort an die eines anderen Romans von Bronsky, Die schärfsten Gerichte der tartarischen Küche. Ich mag diese Figuren, wo ich mich nicht entscheiden kann, ob sie sympathisch sind oder nicht. Dein Kommentar macht mich neugierig auf das Buch.