Ehefrau will mit ihrem Mann abrechnen – nicht gänzlich überzeugende Geschichte
Bei diesem Roman bin ich völlig hin und her gerissen. Und das nicht nur, weil wieder einmal der Klappentext absolut in die Irre führt, gaukelt er doch, wenn auch vielleicht unbeabsichtigt, vor, es handele sich um einen leichtfüßigen, humorvollen Roman. Ein Roman, in dem eine Frau nach jahrzehntelanger Ehe plant, ihren Gatten zu ermorden.
Neben diesem leichten Ärger über den falsche Erwartungen weckenden Klappentext ärgerte ich mich während der Lektüre auch permanent über die Protagonistin. Diese ist auf der Reise nach Genua zu ihrem Ehemann, um diesen aus der Welt zu räumen.
Luisa, inzwischen über 70, hat beschlossen, ihr Leben aufzuräumen. Nach all diesen Jahren, in denen sie alles klaglos ertrug, quasi ihr Leben, ihren Mann und ihr Schicksal einfach geschehen ließ, will sie nun plötzlich die Initiative ergreifen. Und sich sozusagen für all das Ungemach, das Ehemann Alfred ihr in diesen vielen Ehejahren zufügte, rächen. Am liebsten auch gleich noch an weiteren Männern aus ihrem Leben, wie ihren Schwiegersohn, der ihrer Tochter so gar nicht guttut und dem Arzt, der eine Operation verpfuschte und so das Leben ihrer anderen Tochter vollends zerstörte.
Nun sitzt sie also im Zug nach Italien, während ihre Tochter und andere glauben, sie sei in Wien. Möglichst nicht auffallen, so dass sich später niemand an sie erinnert, so plant sie den Mord an ihrem Mann. Mittels eines Menüs, das er liebt und dem sie eine ganz besondere, eine tödliche Zutat beizufügen plant.
Auf dieser Reise blickt sie auf ihr Leben zurück, auf Alfred, den Künstler, der sich stets verdrückte, wenn das Leben schwierig wurde, der immer irgendwo eine andere Frau hatte, der nie genug Geld besaß und sich daher ständig von Luisa aushalten ließ. Sie, die als Hauswirtschaftslehrerin arbeitete, hetzte dafür um so mehr durch ihr Leben, Kinderbetreuung, Haushalt, Beruf, später noch die unheilbar kranke, behinderte Tochter wegen eines ärztlichen Kunstfehlers, all das hielt sie diese ganzen Jahre durch, ohne sich zu beklagen. Nur die Hilfe ihrer ungewöhnlichen Mutter hatte sie in dieser Zeit, während Alfred irgendwann gar nicht mehr auftauchte.
Im Zug lernt sie einen Mann kennen, der sich merkwürdig verhält. Zuerst misstraut sie ihm, dann schließen sie sich zusammen und reisen gemeinsam weiter, werden ungestüm, Luisa tut Dinge, die sie nie für möglich gehalten hätte und genießt das. Dann schließlich kommt sie in Genua an.
Mich hat einerseits die gewaltige Art des Erzählens von Angelika Waldis beeindruckt, ihr Stil ist mal ergreifend, mal sanft ironisch, nie verurteilend, immer leicht distanziert. Manchmal schweift sie ein wenig zu sehr vom aktuellen Handlungspfad ab, verliert sich in ihren eigenen schwungvollen Formulierungen, Metaphern und Beschreibungen.
Andererseits wurde ich, je weiter ich las, umso wütender auf Luisa, auf diese Hauptfigur, die sich alles gefallen ließ, die ihrem Alfred selbst dann noch Tausende Euro überweist, nachdem er sie mit all den Sorgen und Nöten allein gelassen hatte. Die einen Kollegen anhimmelt, sich in ihn verliebt, dies aber nie ausspricht, nun, viele Jahre nach dessen Tod aber immer noch von ihm träumt. Mir ist diese Protagonistin zu defensiv, zu weich, um nicht zu sagen schwach. Trotz all dessen, was sie ausgehalten hat, hat sie sich nie gewehrt, und nun plötzlich, mit über 70 soll sie den Mut und den Antrieb haben, ihren Mann zu ermorden. Das schien mir etwas unglaubwürdig, nicht recht plausibel.
Daher diese Zwiespältigkeit, mit der ich den Roman sehe, weswegen er mich auch nicht zu 100 Prozent überzeugen konnte. So perfekt und gelungen er stilistisch sein mag.
Angelika Waldis – Aufräumen
atlantis, Februar 2025
Taschenbuch, 191 Seiten, 18,90 €