Die kämpferische Bademeisterin Nene und der zurückhaltende Boris, das Liebespaar des Jahres. So könnte man den Debütroman der im Ruhrgebiet geborenen Autorin zusammenfassen. Die beiden jungen Menschen sind Außenseiter: Sie ist traumatisiert von einer gewalttätigen Kindheit, von Einsamkeit und Lieblosigkeit. Er verdankt der Nachlässigkeit seiner Mutter die Erkrankung an Kinderlähmung, deren Folgen ihm bis heute Schmerzen und Ausgrenzung verursachen.
Ihrer beider Geschichte erfahren wir aus dem Mund Neles, unverblümt kotzt sie die Sätze aus, erratisch erzählt sie von ihrer wachsenden Zuneigung zu diesem verstörten Jungen, der ständig lügt und ihr Dinge vorgaukelt, die so nicht existieren. Boris ist so ganz anders als die Männer und Jungs, die sie bislang kennt, und er lässt sie nicht so einfach und schnell in sein Herz.
Wie es ihr gelingt, sich dennoch dort hineinzuschleichen, wie sie die Mauern überwindet, die er um sich herum errichtet hat und dabei auch ihre eigenen zum Wanken bringt, das beschreibt die Autorin in einem ganz eigenen, eigenwilligen Stil. Der aber so fulminant gut zu der Figur der Nene passt, als wäre er für sie erfunden.
Auf den wenigen Seiten dieses Roman schafft Annika Büsing die Beschreibung zweier Leben, in grauen, düsteren, aber trotzdem warmen Farben. Voller Verständnis, ohne Beschönigung, drastisch, direkt, unverblümt folgen wir den beiden Figuren durch diese Stadt, dieses heruntergekommene Viertel, begegnen den dort lebenden Menschen mit ihrem Macken, ihren Sorgen und ihrer Art zu leben.
Auf den wenigen Seiten dieses Roman gelingt Annika Büsing etwas ganz besonderes, denn man beginnt, diese sperrigen Charaktere sehr zu mögen.
Einzig die erratische Erzählweise macht es manchmal schwer, der Handlung zu folgen, zu plötzlich springt der Handlungsfluss aus der aktuellen Zeit in die Vergangenheit und wieder zurück. Andererseits erzeugt auch das eine ganz eigene Spannung.
Unbedingt empfehlenswert.
Annika Büsing – Nordstadt
Steidl Verlag, Mai 2022
Gebundene Ausgabe, 127 Seiten, 20,00 €