Warmherziger Roman um die Suche nach dem Lebensweg, um Freundschaft und Vertrauen
Das ist wieder mal so ein Roman, der einen eher abschreckenden deutschen Titel trägt (der englische Originaltitel ist aber auch nicht viel besser). Wenn man diesen ignoriert, findet man eine sehr liebenswerte Geschichte um zwei junge Menschen, die ihren Weg noch finden wollen oder müssen.
Brittany hat fast ihr ganzes Leben davon geträumt, Profi-Fußballerin zu werden. Sie hatte bereits ein Stipendium für ein Studium an der Sporthochschule in Kalifornien in der Tasche, als eine üble Knieverletzung ihren Traum platzen lässt. Denn nicht nur die Folgen der Verletzung, sondern vor allem eine Krankheit, die während der Behandlung entdeckt wurde, macht es für sie unmöglich, diesen Sport künftig auszuüben.
Da kommt es ihr gerade recht, dass ihre Englischlehrerin, die verblüffenderweise über erhebliche Geldmittel zu verfügen scheint, einen Wettbewerb ausschreibt. Britt und drei ihrer Klassenkamerad:innen werden eingeladen, nach Großbritannien zu reisen und dort in einer Art Schnitzeljagd diverse Aufgaben zu lösen. Dem Gewinner bzw. der Gewinnerin winkt ein Preisgeld von 100.000 Dollar.
Wenn nur die Aufgaben, die es zu lösen gilt, nicht alle mit Literatur zu tun hätten, ein Fach, das die sportliche Britt eher weniger spannend findet. Zu ihrem Glück lernt sie gleich zu Beginn der Tour den netten und gut aussehenden Luke kennen, der ein echter Bücher-Nerd zu sein scheint. Zumindest kann er Britt eine große Hilfe sein, denn er stimmt zu, sie auf ihrer Reise zu begleiten. Dritte im Team ist die Begleitperson, die alle Teilnehmer dabei haben. Alexis ist eine sehr geduldige, sehr verschwiegene und sehr humorvolle junge Frau, die noch dazu eine Verwandte Lukes ist, wie sich herausstellt.
So gehen die drei auf die Reise quer durch England und Schottland, versuchen, die Aufgaben zu lösen und geraten dabei durch Britt in immer neue Abenteuer. Denn Britt ist eine äußert liebenswerte 18-Jährige, die selten ein Blatt vor den Mund nimmt, mit jedem ins Gespräch kommt und meist von einem Dilemma in das nächste Fettnäpfchen gerät. Dabei hat sie das Herz auf dem rechten Fleck, hadert aber mit ihrer Krankheit. Und vor allem mit ihrer Zukunft, hat diese doch ihr alle Pläne zerstört und so muss sie erst ihren Weg finden, um neue Pläne machen zu können.
Inzwischen entwickeln sich zwischen Britt und Luke immer mehr Gefühle, die sie aber nicht zulassen will, da sie auf zwei Kontinenten leben und Britt schon zu viele Menschen in ihrem Leben verloren hat.
Der Roman ist ein reines Lesevergnügen. Die jungen Menschen, die im Mittelpunkt stehen, sind absolut realistisch gezeichnet, mit ihren Unsicherheiten, ihrer immer einsturzgefährdeten Mauer, die sie um sich bauen. Immer wieder treffen Britt und ihre Klassenkameraden aufeinander während der Reise und stets kommen dabei alte und neue Animositäten, ungelöste und nicht ausgesprochene Vorwürfe und bittere Erinnerungen hoch.
All das wird voller Wärme, mit wunderbar leichtfüßigem, dabei auch feinsinnigem Humor erzählt, die Figuren sind liebevoll, mit Verständnis und Empathie beschrieben. Die Dialoge, vor allem die witzigen zwischen Britt und Alexis, sind herrlich und spiegeln perfekt den britischen Humor.
Dazu kommen die literarischen Verweise auf Klassiker der englischen und schottischen Literatur, was zusätzlich großen Spaß bereitet. Ein rundum gelungener Roman, durch den man geradezu fliegt, auch, weil das sonst bei Liebesgeschichten vorhersehbare Happy End diesmal eben gar nicht so zuverlässig erwartbar ist und die Geschichte daher viel Spannung entwickelt.
Sehr empfehlenswert.
Becky Dean – Liebe, Stolz und andere Vorurteile
Originaltitel: Love and Other Great Expectations
aus dem Englischen von Susanne Just
Arctis, April 2024
Taschenbuch, 395 Seiten, 18,00 €