Er kann einfach gut schreiben, dieser Benedict Wells. Von seinem vor etwa 10 Jahren erschienenen Roman „Fast genial“ bin ich heute noch begeistert. Dieser Roman drehte sich, genau wie der vorliegende, um einen heranwachsenden Jugendlichen.
Der 15-jährige Sam lebt in der fiktiven Kleinstadt Grady in Missouri. Wichtigster Sohn der Stadt ist der Autor des Gedichtbandes „Hard Land“, titelgebend für Wells‘ Roman. Wir schreiben das Jahr 1985.
Sam ist ein schüchterner Junge, der sich selbst für einen Loser hält. Er hat keine Freunde, dafür aber große Angst vor den tonangebenden Jungen in der Stadt. Sam verträgt sich nicht besonders gut mit seinem Vater, hängt aber umso mehr an seiner Mutter. Diese ist schwer krank und wird – das darf man in einer Rezension erwähnen, da es bereits im ersten Satz des Romans verraten wird – im Laufe des Romans sterben.
Damit er nicht über die Sommerferien zu ungeliebten Verwandten geschickt wird, nimmt er einen Ferienjob im Kino an. Dort trifft er auf Cameron, Hightower und vor allem auf Kirstie. Sie verdreht dem noch recht verklemmten Sam komplett den Kopf, stiftet ihn und die anderen beiden zu viel, teils gefährlichem Unfug an und alle vier werden zu guten Freunden.
So weit, so klassisch. Im Grunde geschieht nicht viel in diesem Sommer. Sam wird, auch durch den Tod seiner Mutter, erwachsener, selbstbewusster, lernt sich selbst und mit der Zeit auch seinen Vater besser kennen. Viel Zeitkolorit wird erzeugt durch Filmzitate und durch die Musik, die die Kids hören.
All das beschreibt Benedict Wells in seiner ganz eigenen, stimmigen und einfühlsamen Weise. Er modelliert wunderschöne Sätze, Sätze fürs Poesiealbum oder für die Ewigkeit. „War Kirstie nicht im Kino, fehlte den Witzen die Pointe, war der Sommer weniger heiß, das Popcorn weniger knusprig und die Cola nicht so prickelnd wie sonst.“ (S. 61) oder „Sie (die Mutter) war wie diese Stützräder, wenn man Fahrradfahren lernt.“ (S. 248)
Die Figuren, besonders natürlich die vier Jugendlichen, sind mit großem Einfühlungsvermögen erschaffen, da wirkt nichts überzeichnet, es gibt keinen falschen Ton. Der Autor umschifft Klischees und Stereotypen, erzeugt Atmosphäre und Emotionen.
Aber manche Szene ist dann eben doch zu sehr ausgewalzt, zu zäh erzählt, so dass Langeweile aufkommt im Laufe der Lektüre. Denn man wartet, dass etwas passiert, dass ein Höhepunkt erreicht wird. Doch selbst im letzten Teil, der den Titel „Die Pointe“ trägt, fehlt genau diese.
Ich bin immer etwas skeptisch, wenn eine Neuerscheinung derart gehypt wird, und frage mich, wieviel davon echte Begeisterung ist. Bei diesem Roman war meine Skepsis teilweise gerechtfertigt. So ist das neue Buch von Benedict Wells zwar ein wunderschön geschriebener, stilistisch brillanter Roman, dem es aber leider an einem wirklich fesselnden Plot mangelt.
Benedict Wells – Hard Land
Diogenes, Februar 2021
Gebundene Ausgabe, 352 Seiten, 24,00 €