Bislang kannte ich für Paris immer nur den Begriff „Stadt der Liebe“. Dass man sie auch als eine Stadt der Mörder sehen kann, das zeigt Britta Habekost in ihrem stilistisch brillanten Roman. Der die schwierige Jagd nach einem Serienmörder schildert, den Kommissar Vioric gerne zur Strecke bringen möchte.
Alle Figuren, die in diesem Roman auftreten, sind gequälte, geschundene Seelen. Verletzt an Körper und Geist durch den ersten Weltkrieg, durch Hunger, Einsamkeit, Verlust. Die Welt, in der sie agieren, das Paris der Nachkriegszeit, geprägt durch Armut und Protz, durch Arbeit und Vergnügungen, ist düster und gefährlich.
Hier begegnet Julien Vioric, der die Ermittlungen in einer Mordserie leitet, der jungen Lysanne Magloire. Sie kam nach Paris auf der Suche nach ihrer seit mehreren Jahren verschwundenen Schwester Isabelle, die wiederum in den Mordfall verwickelt zu sein scheint.
Lysanne gelangt durch Begegnungen mit verwirrend interessanten Männern in der Kreis der Surrealisten, eine Gruppe von Menschen, die sich an wechselnden Orten treffen, schreiben, spielen und die Obrigkeit mit großen Vergnügen nasführen. Und sie verwickelt sich immer mehr in die Mordserie, immer wieder führen Spuren zu dieser Gruppe, zu ihrer Schwester, zu ihrer Vergangenheit.
Der Schreibstil von Britta Habekost ist hervorragend. Ihr gelingt es perfekt, die Stimmung in dieser Stadt zu beschreiben, ja sie geradezu fühlen zu lassen. Die Leserin ist ganz dicht dran an den Figuren, spürt ihre Verlorenheit, ihre Verwirrung, ihre Suche nach dem Leben. Die Bilder, die sie zeichnet, sind nicht freundlich, nicht erfreulich, sie sind drastisch, hart, plastisch, authentisch. Ihre Figuren agieren realistisch, die Dialoge sind lebendig, lebensnah.
Dennoch hat der Roman ein Manko. Die umfassende Betrachtung des Surrealismus, das sich so ausführliche Beschäftigen mit den Pariser Surrealisten – meist authentische Personen der damaligen Zeit – trübt die Spannung dieses Romans, der doch ein Kriminalroman sein will. Die seitenlangen Gespräche, die ausführlichen Erklärungen, die die dynamischen Männer der unbedarften Lysanne geben, sie ermüden die Leserin irgendwann. Man muss sich schon besonders für dieses Thema interessieren, um diese Seiten mit Spannung und Freude zu lesen.
Daher von Plot und Stil her ein wirklich empfehlenswerter Roman, den es zu lesen lohnt. Man braucht dafür allerdings einen recht langen Atem und wie gesagt, ein gewisses Interesse am Thema.
Britta Habekost – Stadt der Mörder
Penguin, September 2021
Gebundene Ausgabe, 461 Seiten, 20,00 €