Calla Henkel – Ein letztes Geschenk

⭐⭐⭐⭐⭐

Überraschungshighlight – spannend, verblüffend, wendungsreich, lesenswert

Diese Autorin werde ich mir merken. Wenn sie immer so gut schreibt wie in diesem Roman, dann hat sie einen neuen Fan gewonnen. Die Geschichte um Esther, die sogenannte Scrap Books gestalten soll, ist so voller Kapriolen, Wendungen, Höhepunkten und Spannung, dass man den Roman verschlingen muss.

Esther, die sich selbst als Kunsthandwerkerin beschreibt und Bücher von Hand bindet, lernt auf einer Vernissage die reiche Naomi kennen. Von ihr erhält sie den Auftrag, als Geburtstagsgeschenk für deren Ehemann Alben zu gestalten, sogenannte Scrap Books.

Den Auftrag nimmt Esther allerdings erst an, als sie von ihrer Lebenspartnerin Jessica verlassen wird und nun die Hypothek für das gemeinsame Haus allein tragen muss. Daraufhin erhält sie von Naomi eine ganze LKW-Ladung von Kisten mit Material für diese Alben, eine Kiste pro Jahr über viele Jahre. Darin hat Naomi alles aufbewahrt: Fotos, Kassenbelege, Klassenarbeiten und Zeugnisse ihrer Tochter, Elternbriefe, Einladungen, Zeitungsausschnitte und Kontoauszüge, auch aus der Firma ihres Mannes. Wichtigste Regel für den Auftrag: Absolute Verschwiegenheit, dafür muss Esther Naomi bürgen und etliche Unterschriften leisten. Auch der gesamte Kontakt zu ihrer Auftraggeberin verläuft auf sehr geheimnisvolle Weise.

Je tiefer Esther in die Unterlagen eintaucht, desto mehr gerät sie in den Bann von Naomis Familie und deren Geschichte und Geheimnisse. Durch die Fotos lernt sie alle Menschen, die in Beziehung zu dieser Familie stehen, kennen und so beschäftigt sie sich immer mehr damit, beginnt zu recherchieren.

Parallel dazu leidet sie jedoch fürchterlich unter der Trennung von Jessica, spielt mit Selbstmordgedanken. Dann lernt sie ihren neuen Nachbarn Patrick kennen, einen sehr verschlossenen alten Mann. Erst nach und nach kommen sie sich näher und dann findet sie bei ihm unerwartete Hilfe und Unterstützung.

Als Naomi dann plötzlich ums Leben kommt, setzt Esther alles daran, die Hintergründe herauszufinden, geht dabei nicht immer legal vor und gerät auch schon mal in arge Bedrängnis.

Esther ist eine faszinierende Frauenfigur, schillernd, chaotisch, mal schrill, mal verzweifelt, die auch immer wieder mit ihrer eigenen Familiengeschichte hadert. Doch immer, bei allem was sie tut, wie sie reagiert und fühlt, wirkt diese Figur absolut authentisch. Man leidet beim Lesen mit ihr, möchte sie mal aufhalten, mal anfeuern. Und dann ist da ja noch die Frage, was geschah wirklich mit Naomi? Und warum liebte diese Frau den Roman „Gone Girl“ von Gillian Flynn so sehr?

Dieser Roman ist ganz sicher ein Highlight in meinem Lesejahr 2024, hier stimmt einfach alles. Die Darstellung der einsamen Heldin im Kampf gegen unbekannte Mächte, gegen Einsamkeit, Ungewissheit, Unsicherheit und ihre eigene Vergangenheit ist absolut gelungen, man ist ganz tief drin in der Geschichte. So soll ein Roman sein, fesselnd, spannend, überzeugend.

Und mit einem derart überraschenden Ende. Genial!

Calla Henkel – Ein letztes Geschenk
aus dem Englischen von Verena Kilchling
Kein & Aber Verlag, Juli 2024
Gebundene Ausgabe, 459 Seiten, 25,00 €

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