Ein etwas zu Sonnenschein-durchdrungener Selbstfindungsroman
Die Kinder sind wohlversorgt, die Enkelkinder im Grunde auch und das eigene Haus inzwischen viel zu groß – Zeit für eine Veränderung, einen Neuanfang.
So denken Thea und Ronny, die dabei sind, die Feier zu ihrem gemeinsamen 60. Geburtstag und gleichzeitigen 40. Hochzeitstag vorzubereiten. Alte und neue Freunde sollen eingeladen werden und das Paar möchte die Einladungen persönlich überbringen. Dabei begegnen sie ganz unterschiedlichen Lebenswegen, verschiedensten Weisen mit Trennung, ausgeleierten Beziehungen, Einsamkeit umzugehen.
Von diesen Begegnungen einigermaßen erschreckt, überdenken auch Ronny und Thea ihr derzeitiges Leben. Das vor allem aus Routine, Langeweile und wenig Aussicht auf Veränderung besteht. Dazu kommt, dass die beiden, trotz ihrer seit Schultagen bestehenden und gut funktionierenden Beziehung sehr unterschiedliche Vorstellungen von dem haben, was für sie ein gutes, glückliches Leben ausmacht. Ronny, der Lebemann, der sich am liebsten besonders schick anzieht, träumt von einem Leben in Paris, in der Metropole, umtost von Großstadtleben. Thea hingegen ist lieber in der Natur, am liebsten allein, weit weg von Stadt, Verkehr und Lärm. Ihr Traum ist eine monatelange Reise durch Neuseeland.
So beschließen die beiden Menschen, trotz ihrer immer noch vorhandenen großen Liebe zueinander, sich zu trennen, von nun an getrennt nur noch ihren Träumen zu folgen. Sie vermieten ihr Haus, kündigen ihre Jobs und planen ihre Zukunft neu. Das passt vor allem ihren drei Töchtern zuerst überhaupt nicht, doch Thea und Ronny ziehen das durch.
Er reist nach Paris, wo er eine Wohnung online gemietet hat, sie bucht einen Flug nach Neuseeland – was ihr ein arg schlechtes Gewissen bereitet wegen des immensen CO2-Fußabdrucks. Denn Thea ist sehr umweltbewusst, was im Roman leider zu penetrant und oftmals unpassend herausgekehrt wird.
Doch sowohl Ronny wie auch Thea macht das Schicksal einen Strich durch ihre Pläne, es kommt anders als gewünscht und geplant. So landet Ronny in Paris im Hotel und wird, weil er so unverschämt gut aussieht, was ständig betont wird, als Dressman engagiert. Thea hingegen reist statt nach Neuseeland mit dem Fahrrad nach Südfrankreich, wo sie sofort tatkräftig in einem Hotel agiert.
Natürlich findet all das bei penetrant strahlendem Sonnenschein statt, sowohl am Himmel wie in den Gemütern. Alle, denen vor allem Thea begegnet, sind immer sofort gute Freunde, alle haben sich immer total lieb. Und ebenso natürlich liegen sich auch am Ende alle wieder glückselig in den Armen.
So sehr der Roman unterhält und so sehr er auf seine Art ein Wohlfühlroman sein mag, so ungewöhnlich die Ausgangsidee ist – wobei man sich schon fragt, warum gleich die komplette Trennung sein muss und die Beiden nicht einfach eine befristete Auszeit nehmen -, so seicht ist er andererseits. Der Schreibstil von Carla Berling ist so fröhlich und abwechslungsreich wie man es von ihr kennt. Der Anfang, als Thea und Ronny ihre alten Freunde aufsuchen und die erschreckenden Entwicklungen dort beobachten, ist sehr witzig und vor allem sehr abwechslungsreich. Danach aber wird er mir zu platt, zu penetrant gut gelaunt. Ein wenig mehr Dilemma, ein wenig mehr Gewürz hätte der Geschichte durchaus gutgetan.
Carla Berling – Glück für Wiedereinsteiger
Heyne, Mai 2024
Taschenbuch, 288 , 13,00 €
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