Dialogreiche Geschichte einer hinterwäldlerischen amerikanischen Familie
Lucy ist zehn Jahre alt, als Port Conway sie zum ersten Mal sieht. Er ist Volkszähler und steht vor der Tür ihres Vaters. Dieser lässt ihn jedoch nicht herein, reagiert böse, ja brutal. Port lässt sich davon nicht beeindrucken, verkündet nur, in zehn Jahren wieder zu kommen, zur nächsten Volkszählung.
Und so ist es, doch auch diesmal wird er nicht eingelassen in das Haus von Arthur Bennett, Lucys Vater. Sie selbst wohnt längst nicht mehr dort, sondern bei ihrer Schwester Constance und deren Mann Cliff.
Diese beiden sind es, die uns diese Geschichte erzählen, abwechselnd mal aus ihrer, mal aus seiner Sicht. Porter Conway ist mit Cliff befreundet, dieser hilft ihm immer mal mit handwerklichen Arbeit an seinem Haus. So hat Port immer Kontakt zu Lucy, die zu einem bezaubernden jungen Mädchen und einer selbstbewussten jungen Frau heranwächst. Immer wieder ist es auch Port, der sie aus gefährlichen oder unangenehmen Situationen befreit.
Schließlich vergehen wieder 10 Jahre, die nächste Volkszählung steht vor der Tür. Und Porter macht Lucy einen Heiratsantrag. Das darf man hier verraten, denn den Kapiteln ist ein Prolog vorangestellt, in welchem ihre Hochzeit beschrieben wird.
Die Beschreibung der Handlung klingt wenig spannend. Sie ist es auch eher nicht, wirklich viel geschieht nicht, abgesehen von den Schwierigkeiten, in welche Lucy immer wieder gerät. Den Hauptteil des Romans machen die Dialoge aus, meist zwischen Port und Cliff oder auch zwischen Cliff und seiner Frau Conny. Oder die Gespräche mit Lucy, seien es ihre Diskussionen mit Port oder die Befragungen des Sheriffs, die sie immer wieder erlebt.
Diese Dialoge sind es, die den Roman zu einem Genuss machen. Mögen sie manches Mal völlig absurd sein, mögen die Sprechenden viele Male einfach aneinander vorbei reden, gerade das macht den Spaß aus. Der Humor ist nie dick aufgetragen, überdeckt auch nie die Ödnis und die Tristesse des Lebens in dieser abgeschiedenen Region. Aber er liegt in jedem Satz, in jeder Beschreibung. Vor allem die Lakonie und die sehr vorsichtig hindurchschimmernde Ironie machen diese Wirkung aus.
Wären die abrupten und nie vorhersehbaren Perspektivwechsel nicht, die sehr verwirrend sind, bis man sich daran gewöhnt hat, wäre der Roman perfekt.
Castle Freeman – Treue Seele
aus dem Amerikanischen von Dirk van Gunsteren
Hanser, Juli 2023
Gebundene Ausgabe, 224 Seiten, 23,00 €