Dani Shapiro – Leuchtfeuer

⭐⭐⭐

Seelenentblößung auf Amerikanisch

Um es gleich vorweg zu sagen: Ich bin mit diesem Roman nicht warm geworden. So viele Rezensionen über dieses Buch, die ich bereits gesehen habe, schwärmen von der Sprache, der Umsetzung des Plots, von den Figuren. Leider hat mich davon nichts wirklich überzeugt.

Das Schicksal zweier benachbarter Familien schildert die Autorin über mehrere Jahrzehnte hinweg. Das Leben der Wilfs erfährt ein tragisches Ereignis, als die beiden noch minderjährigen Kinder Sarah und Theo mit dem Auto einen Unfall bauen, bei dem ein Mensch ums Leben kommt. Ihr Vater Benjamin ist Arzt und will noch helfen, macht jedoch alles nur noch schlimmer. Dieser Vorfall lässt sie ihr ganzes späteres Leben nicht mehr los, alles wird darauf zurückgeführt. Jedes Versagen, jedes Unvermögen, das eigene Leben zu bewältigen, erklärt sich vor allem Sarah mit diesem Unfall. Bei dem sie die Schuld auf sich nahm, obwohl Theo, damals erst 15, gefahren war.

Jahre später, die Mutter von Sarah und Theo ist inzwischen wegen ihrer Demenz im Pflegeheim, Sarah hat eine eigene Familie und ist Mutter von Zwillingen, während Theo gerade Chefkoch und Betreiber eines kleinen Restaurants ist. Benjamin Wilf lebt immer noch im selben Haus und kommt jetzt in Kontakt zu dem Jungen Waldo im Haus gegenüber, der ein Außenseiter ist, den Sternenhimmel liebt und bei seinen Eltern für sein Verhalten kein Verständnis findet.

Die Sache eskaliert, als Waldo von zuhause fortläuft und Mimi, Benjamins Frau, aus dem Pflegeheim verschwindet.

In verwirrend vielen, nicht chronologischen Rückblenden und mit häufig wechselnden Perspektiven schildert Dani Shapiro das Seelenleben dieser Protagonisten. Einer davon ist auch Waldos Vater, der aus nicht nachvollziehbaren Gründen als einziger im Roman immer nur mit seinem Nachnamen benannt wird. Shenkman hadert mit sich, weil er mit seinem Sohn keine Geduld hat und versucht, seine innere Wut mit übertriebenem Fitnesstraining in den Griff zu bekommen.

Für mich fehlt in diesem Roman das Leben. Alle Protagonisten werden wie unter einem Mikroskop analysiert, doch um sie herum gibt es nichts. Alle bewegen sich wie in einem luftleeren Raum, es gibt keine Umgebung, keine anderen Menschen, die auftreten, keine Arbeit, keine Freunde, keine weiteren Nachbarn.

Das wirkt auf mich wie die typisch amerikanische Selbstanalyse, alle beschäftigen sich nur mit sich selbst, therapieren, analysieren sich ständig, beobachten ihr eigenes Verhalten. Das ist mir alles zu dick aufgetragen. Die Figuren leben nicht, sie sind wie Übungsmaterial für Psychotherapeuten. Einzig Ben und Waldo sind lebendig, haben echte Gefühle, benehmen sich „normal“, reagieren und handeln realistisch.  So sind sie auch die einzigen Figuren, für die ich bei der Lektüre Empathie aufbrachte.

Dabei ist diese egozentristische Selbstzerfleischung gut in Worte gefasst, die Sprache beschreibt dies mit fast schmerzhafter Intensität, macht es vorstellbar, überzeugt. Dennoch ist es am Ende von allem zu viel.

Ein Roman, der mir zu theoretisch, zu abgehoben, zu verkopft ist.

Dani Shapiro – Leuchtfeuer
aus dem Amerikanischen von Ulrike Wassel und Klaus Timmermann
hanserblau, Februar 2024
Gebundene Ausgabe, 288 Seiten,  23,00 €

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