Ein Buch voll überbordender Fantasie mit einem Panoptikum an skurrilen Figuren – so kann man den Roman von Domenico Dara zusammenfassen. Seinen Vorgänger „Der Postbote von Girifalco“ habe ich leider verpasst.
In der Kleinstadt Girifalco in Süditalien treffen wir auf Menschen voller Wünsche und Träume, sanfte Gemüter, rachsüchtige Geister, selbstverliebte Galane, Verzweifelte, Suchende.
Da gibt es Archimedu, der, als er selbst noch ein Kind war, seinen kleinen Bruder im Wald „verlor“. Da gibt es Rorò, der alles, was sie sich wünscht, quasi in den Schoß fällt, sehr zum Zorn von Mararosa, die ihr jedes Glück missgönnt. Da gibt es den Schneider Venanziu, der als vielbeschäftigter Liebhaber die Frauen des Ortes beglückt, und da ist Lulù, der als Waise in einer Nervenheilanstalt lebt und sich nach seiner Mutter sehnt. Und da sind noch viele andere, die als Protagonisten auftreten.
Alle diese Menschen werden zu Beginn des Romans in aller Ausführlichkeit mit eigenen Kapiteln vorgestellt, ihre Geschichten erzählt, warum sie wurden wie sie sind. Dadurch beginnt die eigentliche Handlung des Romans erst nach mehr als Hundert Seiten, die man also durchhalten muss. Zugegebenermaßen fällt das manchmal schwer, die Berichte über die Vergangenheit der Figuren, ihre Hintergründe und ihre Charaktere sind so ausschweifend, dass man tatsächlich einen langen Atem braucht. Hinzu kommt die wirklich außerordentliche, durchaus bewundernswerte Fantasie des Autors, die jedoch, so empfinde ich es, manchmal mit ihm durchgeht.
Schließlich kommt die Handlung dann doch in Fahrt. Im Ort soll der jährliche Jahrmarkt stattfinden, doch stattdessen kommt ein Zirkus nach Girifalco. Nun kommt es wie es kommen muss, es entwickeln sich Beziehungen, andere Geflechte brechen auf, es kommen Wahrheiten ans Licht, andere werden verborgen. Nicht jeder Wunsch findet Erfüllung, am Ende holt die Realität doch die meisten ein.
Das ist in Kurzfassung das Fazit des Romans, der sich zeitweise recht zäh las, trotz der fast poetischen Feder des Autors. Es war stellenweise quälend, auch bedingt durch die ungewohnten Namen der Figuren, die vielen, nicht übersetzten italienischen Einsprengsel, die umständliche Erzählweise. Gekürzt um die Hälfte hatte der Roman meines Erachtens mehr Spannung erzeugt, wäre fesselnder gewesen.
Domenico Dara – Der Zirkus von Girifalco
aus dem Italienischen von Anja Mehrmann
Kiepenheuer & Witsch, März 2021
Gebundene Ausgabe, 523 Seiten, 23,00 €