Dies ist wieder einmal so ein Roman, bei dem ich hin- und hergerissen bin. Inhaltlich ist er hoch aktuell und dramatisch, sprachlich herausfordernd und gelungen, nur was Spannung und Handlungslauf angeht, fehlt mir etwas.
Die Inhaberin eines kleinen Hotels, das wegen der umliegenden andauernden Waldbrände so wie alle anderen schließen musste, bekommt eines Tages eine neue Gästin. Eine junge Frau mit ihrer kleinen Tochter nimmt ein Zimmer und nistet sich dort ein. Irgendetwas dubioses ist um diese Frau, nicht erst, als ein Fremder immer wieder anruft, auf der Suche nach seiner Frau und seiner Tochter.
Iris, die das Hotel von ihrer Familie geerbt hatte, hadert immer wieder mit ihrer Situation, mit ihrem Leben und findet doch nicht den Absprung. Inmitten des umgreifenden Chaos durch die Brände, die sich immer weiter ausbreiten, deren Ascheregen über dem Ort niedergehen und gegen welche Naturschützer in einem nahegelegenen Camp protestieren, kommen sich die beiden Frauen langsam näher, lernen sich kennen und bleiben sich doch fremd. „Ich hatte es lange nicht mehr erlebt, aber ich erkannte in diesem Moment die Aufregung, die Frage danach, ob eine Anziehung zwischen uns möglich war.“ (S. 65)
Der Österreicherin Franziska Gänsler gelingt mit ihrem Debütroman eine faszinierende Schilderung, gleichermaßen von dem Naturereignis wie auch von der Beziehung zwischen den beiden Frauenfiguren. Insbesondere die Gedankengänge von Iris, der Ich-Erzählerin, sind mal philosophierend, mal depressiv, mal aufgeputscht. Die Figuren der fremden Frau, Dori, und ihrer kleinen Tochter Ilya, sind geheimnisvoll angelegt, Beschreibungen und Dialoge geben über lange Zeit wenig preis.
Erwähnen muss man auch die Figur Baby, die Nachbarin von Iris, eine geradezu überwältigend natürliche Frau, liebenswert und liebenswürdig, burschikos, so ganz das Gegenteil der nachdenklichen, grüblerischen Iris. Zupackend, mit lautem, manchmal hartem Humor, steht sie am Zaun und kommentiert das Geschehen. Eine faszinierende Romanfigur.
Insgesamt, trotz oder vielleicht auch wegen des poetischen, düster-schwermütigen Stils kein Roman zur Unterhaltung, kein spannungsgeladener Roman, den man verschlingt, aber ein vielversprechendes Debüt.
Franziska Gänsler – Ewig Sommer
kein und aber, Juli 2022
Gebundene Ausgabe, 205 Seiten, 23,00 €