Um diesen Kriminalroman genießen und verstehen zu können, scheint es ratsam, vorher ein Mathematikstudium abzuschließen. Wer nämlich bislang glaubte, Fälle in Kriminalromanen mit einfacher Logik lösen zu können, wird hier eines Besseren belehrt.
Die Handlung des preisgekrönten Krimis spielt zu Anfang der Neunziger Jahre in Oxford. Ein argentinischer Gastdoktorand der Mathematik kommt an die dortige Universität. Er bezieht ein Zimmer bei der alten und gebrechlichen Mrs Eagleton. Nicht viel später findet er beim Heimkommen ihre Leiche in ihrem Wohnzimmer. Dabei begegnet er dem berühmten Mathematiker Arthur Seldom, den er schon immer bewunderte und der mit der Familie von Mrs Eagleton seit langem befreundet ist. Gemeinsam beginnen sie die Suche nach Motiv und Täter, mit mathematischer Logik und vielen tiefschürfenden Gesprächen. Dann geschehen weitere Morde und jedes Mal erhält Seldom kryptische Nachrichten in Form von Zeichen. Mit der Hilfe von Pythagoras, Fibonacci und anderen großen Mathematikern versucht Seldom, die Zeichenfolge zu entschlüsseln. Am Ende wartet der Krimi dann mit einer Überraschung auf.
Der Roman ist spannend und vor allem ausgesprochen wendungsreich. Doch für Nichtmathematiker bekommt der Spannungsbogen jedes Mal einen leichten Knick, wenn sich die beiden Protagonisten weitschweifig über antike, historische oder zeitgenössische Mathematiktheorems, ungelöste Rätsel der Logik und der mathematischen Forschung unterhalten. Ich hatte seinerzeit dem Mathematikunterricht an der Schule ganz gut folgen können und dieses Fach auch nicht wie so manch anderer gehasst. Aber beim Lesen der ausgedehnten Gespräche verlor ich leider immer mal wieder den Faden. Gleichwohl macht genau das, diese ungewöhliche Herangehensweise, den Reiz, das Besondere dieses erstaunlich englischen Krimis aus. Erstaunlich, weil der Autor selbst Argentinier ist, Mathematiker, der zwei Jahre seiner Doktorandenzeit in Oxford verbrachte.
Ein gut geschriebener, interessant konstruierter Krimi für Fans mathematischer Rätsel. Eine Fortsetzung ist zeitgleich erschienen.
Guillermo Martínez: Die Oxford-Morde
Eichborn, Mai 2020
Klappenbroschur, 222 Seiten, 14,00 €