Was für ein intensives Buch! Der Roman entwickelt einen ganz eigenen Sog, dem man sich kaum entziehen kann. Ein gelungenes Debüt der in Tschechien geborenen Autorin, die sich für die Recherche zu diesem Roman monatelang auf einem Bergbauernhof einquartierte.
Sie erzählt die Geschichte des Innerleithofs, auf 1670 Meter Höhe in den Südtiroler Bergen gelegen, über viele Jahrzehnte, beginnend Mitte der vierziger Jahre.
Die Söhne der Familie Breitenberger müssen in den Krieg, die Töchter gehen in der Stadt in Dienst. Nur die jüngste, Rosa, bleibt und notgedrungen beginnt der Vater, sie in der Landwirtschaft anzulernen. Er lehrt sie die Erde kennen, zu erkennen, wann gesät, wann geerntet wird. Mit der Zeit und nach dem Tod des Vaters bewirtschaftet Rosa den Hof ganz allein. Als ihr Mann kriegsversehrt heimkehrt, ist auch er ihr kaum eine Hilfe.
Viele Jahre später ist es Rosas Sohn Sepp, der den Hof übernimmt und sich immer wieder mit der Mutter auseinandersetzen muss, die mit seinen Modernisierungsplänen nichts anzufangen weiß. Und schließlich führt die nächste Generation, Sepps Sohn Hannes mit seiner Frau Franziska, den Hof. Der kann nur noch überleben, weil sie Feriengäste aufnehmen, eine erhebliche zusätzliche Belastung für die hochschwangere Franziska.
Es ist beeindruckend, wie Jarka Kubsova die Härte des Lebens auf diesem Hof zu schildern vermag, wie sie die Personen zum Leben erweckt, deren Gefühle, die sie nicht ausdrücken können, zum Ausdruck bringt. Rosa, die jedes Kraut und jede Pflanze zum Wachsen bringt, aber ihrem Sohn keine Liebe zeigen kann, Sepp, der Zeit seines Lebens nicht mit und nicht über seine Mutter sprechen kann und Hannes, der, ohne mit seiner Frau zu beraten, den Hof verkaufen will.
Mich hat vor allem Rosa fasziniert, eine Frauenfigur, wie aus Stein gemeißelt, mit harten Kanten und feinen Zügen, mit übergroßer Liebe zur Erde und allem, was darauf und davon lebt. Sie ist eine Romanfigur, die in Erinnerung bleiben wird. Hinzu kommt, dass die Autorin auch die historische Einordnung vornimmt, die politischen Vorkommnisse gerade in Südtirol in die Handlung einbezieht. Dadurch wird der Roman noch interessanter.
Dennoch gibt es auch einen Aspekt, der mich an dem Roman gestört hat, und das ist die absolut einseitige, voreingenommene Beschreibung der Touristen, die als Gäste auf dem Hof Urlaub machen oder in der Region unterwegs sind. Da gibt es keine Schattierung, alle sind tumb, eitel, naiv, alle romantisieren das Landleben. So, wie die Autorin die Touristen darstellt, sind es überzeichnete Karikaturen, eindimensionale Holzfiguren. Hier hätte etwas mehr Fantasie und Vielfältigkeit gutgetan und mehr Wirkung erzielt.
Davon abgesehen aber ist der Roman ganz sicher lesenswert, eine besondere Geschichte um besondere Charaktere.
Jarka Kubsova – Bergland
Wunderraum, Mai 2021
Gebundene Ausgabe, 20,00 €
Dank für diese schöne Rezension! ❤️ Und es stimmt schon, die Touristen sind schon sehr überzeichnet. Ganz so arg ist es in echt natürlich nicht 😊 Ich freue mich, dass dein Urteil trotzdem so positiv ausfällt! 🍀