Ein hochaktuelles Thema in einem Roman verpackt. John von Düffel präsentiert hier eine ruhige Geschichte mit wenig plakativer, aktionsreicher Handlung. Er konzentriert sich wesentlich mehr auf die inneren Befindlichkeiten der Protagonistin, über die die Leserin wenig zu Aussehen, Alter oder Beruf erfährt.
Hannah kommt in die Stadt ihrer Kindheit zurück. Ihr Vater ist vor kurzem gestorben, die Beerdigung war schon und nun will sie seinen Haushalt auflösen und ihre Erbschaft antreten. In der leeren Wohnung ihres Vaters findet sie ein Foto einer ihr unbekannten jungen Frau. Hannah hält sie für eine Mitarbeiterin des Pflegedienstes, der am Ende ihren Vater, einen mehr oder weniger erfolgreichen Schriftsteller, versorgt hat. Als ihr wenig später dieselbe Frau am See, in dem Hannah ein Bad nimmt, das Fahrrad klaut, das Hannah kurz vorher im Keller ihres Vaters gefunden hatte, ist sie immer mehr verwirrt. Nachdem sie danach auch noch von ihrem Anwalt erfährt, dass ihr Vater sie enterbt hat und über das Wenige, das er besaß, anderweitige Verfügungen getroffen hat, ist sie gekränkt und möchte nur noch schnellstens wieder abreisen und in ihren Alltag zurück. Doch dann trifft sie eine Freundin aus Schultagen wieder, die sie zu sich einlädt. Im Haus der Freundin Vivien und ihres Mannes Matthias begegnet Hannah der Frau von dem Foto.
Julia, Viviens Tochter, ist eine Umweltaktivistin und stand, so scheint es, Hannahs Vater näher als seine eigene Tochter. Sein letztes Buch, eine Art Tagebuch mit dem Titel: ‚Wolkenbuch‘ ist für Julia so etwas wie ein Vermächtnis: „Ja, die Wolken sterben aus, nach Julias Meinung und der deines Vaters. Die Beiden waren sich einig, dass der Himmel zusehends eine Wüste wird und die Wolken, wie wir sie kennen, verschwinden. Deshalb wollte er ihnen mit diesem Buch ein Denkmal setzen …“ (S.190).
Über das Wetter wird der Leser kontinuierlich auf dem Laufenden gehalten durch den Kapiteln vorangesetzte Wetterberichte. Wir erfahren nicht, in welchem Jahr wir uns befinden, aber es handelt sich um einen heißen und trockenen April.
Der Roman beschäftigt sich mit dem Klimawandel und der Fridays-for-Future-Bewegung, er behandelt aber gleichzeitig den Konflikt zwischen den Generationen, das Unverständnis, dass die Jüngeren gegenüber ihren Eltern empfinden, die – in ihren Augen – dem Klimawandel gleichgültig und untätig gegenüberstehen. Und Hannah ist in der Tat eine sehr ambivalente Person, unentschlossen, unüberzeugt. Sie will das eine und tut das andere, doch im Grunde sucht sie vor allem eine Verbindung zu ihrem Vater. Das Einzige, was sie mit ihm verbindet, ist die Liebe zum Wasser. Er war ein leidenschaftlicher Schwimmer – wie übrigens auch John von Düffel – und sie tut es ihm gleich. Ob aus eigener Liebe zum Wasser oder um ihm ähnlich zu sein, bleibt für die Leserin unbeantwortet.
Der titelgebende See ist ein Baggersee, um den sich eine teils gerichtliche, teils radikale Auseinandersetzung dreht. Hanna zuckte mit den Schultern: „Das Letzte, was dem See hilft, ist ein Krieg ums Wasser.“ (S.165). Doch offensichtlich gibt es Pläne, aus dem See eine Mülldeponie zu machen: „Das ist eine verdammt schlechte Nachricht“, sagte sie. „Es ist ein verdammt schöner See“, sagte er … (S. 169).
Es fällt mir schwer, zu entscheiden, ob mir der Roman gefällt. Er fließt ruhig dahin, es wird viel geschwiegen. Die Protagonistin ist mir jedoch etwas zu indifferent, die Konflikte zu undramatisch. Dennoch halte ich es für ein wichtiges, wenn auch thematisch etwas übergewichtiges Buch.
John von Düffel: Der brennende See
Dumont, Februar 2020
Gebundene Ausgabe, 319 Seiten, 22,00 €