Ein Haus besteht aus vielen Teilen, Fenster, Türen, Dach, Keller. Und eben aus Treppen. Diesen alltäglichen Einrichtungen widmet die Journalistin und Autorin Esther Geißlinger eine breite Sammlung an kurzen und kürzesten Geschichten. Erschienen ist dieses Heft in einer Reihe gleichartiger Sammlungen, eben auch zu den Themen Fenster oder Türen, der Phantastischen Bibliothek Wetzlar.
Die insgesamt 28 ganz unterschiedlichen Texte decken viele verschiedene Genre ab. Da gibt es alltägliche Ereignisse, die die Autorin schildert, da gibt es mystisches, utopisches, fantastisches. Und es gibt einiges zum Gruseln.
Sei es die aufsässige Strickleiter, die es der kleinen Miriam verwehren will, ihr Baumhaus zu verlassen. Oder die hinter einer verborgenen Tür lauernde Treppe, die je nach Stimmung der Bewohnerin entweder nach oben ins Licht oder nach unten ins Dunkel führt.
Da gibt es die nicht enden wollende Treppe, die eine Frau besteigt, ohne je oben anzukommen. Da gibt es verzauberte Treppen ebenso wie verwunschene. Und auch die Gründe, aus welchen Menschen Treppen erklimmen, sind ganz unterschiedlich. Da ist die Frau, die den Treppenmarathon laufen will über 83.808 Stufen, da der Junge, der eine Mutprobe bestehen will oder der in der dritten Treppenstufe lauernde Kobold.
Mein Favorit aber ist die Doppelgeschichte „Linksherum“ mit ihrem Pendant „Rechtsherum“, in denen jeweils eine Zwillingsschwester eine opulent geschwungene Zwillingstreppe ersteigt und wir ihre Erlebnisse jeweils aus der Sicht mal der einen, mal der anderen Schwester erfahren. Ein gelungener Kniff der mit so viel Fantasie begabten Autorin.
Es ist zu erwarten, dass weitere Bände in dieser Reihe folgen, schließlich hat ein Haus auch einen Keller, ein Dach, einen Schornstein …
Esther Geißlinger – Treppen
Phantastische Bibliothek Wetzlar, August 2022
Broschur, 75 Seiten, 3,00 €