Zu multiperspektivischer Roman um zwei atlantiküberspannende Familiengeschichten
Eltern wollen immer nur das Beste für ihr Kind. So auch die Eltern von Beatrix, weshalb sie die 11-Jährige 1940 zu einer Familie in Boston in Pflege geben, um sie vor dem Bombenhagel über London in Sicherheit zu bringen.
Aus dieser Entscheidung entwickelt sich die Beziehung zwischen den beiden Familien, den englischen Emerys und den amerikanischen Gregorys. So sehr sich Bea zu Anfang wünscht, wieder nach Hause zu dürfen, so wenig will sie es am Ende, als sie nach dem Krieg schließlich wieder zurück nach England fährt.
Denn im Laufe der Jahre wird sie zur Tochter der Gregorys, zur Tochter von Nancy, der Mutter, vor allem, die sich immer eine Tochter wünschte, stattdessen aber zwei Söhne hat: William und Gerald. Mit beiden versteht sich Bea immer besser, es entwickelt sich sogar mehr daraus.
So bleibt sie auch nach dem Krieg in Kontakt, sehr lose zwar, aber eben doch so, dass man sich nach ein paar Jahren wieder begegnet. Was sich danach ergibt, ist ziemlich vorhersehbar und wenig spektakulär.
Im gleichen Maße wie auch die gesamte Geschichte wenig spektakulär ist, sondern manches Mal sogar eher langweilig. Der Schreibstil ist gefällig, die Figuren sind zwar blass, aber einigermaßen ausgearbeitet, dabei nicht klischeefrei. Der Roman wird aber, und das ist in meinen Augen das Hauptmanko, aus 6 und später aus 8 Perspektiven erzählt, die ständig wechseln, manchmal nach zwei, nach einer oder gar nach einer halben Seite.
So erfährt man zwar die Gefühlslage mal von Bea, mal von William oder Gerald und ein anderes Mal von Nancy in Amerika oder von Millie, Beas Mutter in England, oder auch von den beiden Vätern. Man bekommt so einerseits das gleiche Geschehen von verschiedenen Seiten aus betrachtet, es verhindert aber den Zugang zu den Figuren. Es verhindert das Einfühlen, das Einlesen in eine Situation, eine Szene, da man sofort wieder herausgerissen wird. Insbesondere die Protagonistin Bea blieb mir verschlossen, weder ihre Handlungen noch ihre Emotionen waren für mich nachvollziehbar.
Und es bleibt wenig verborgen, da man stets über jeden Gedanken jeder Figur informiert wird. Das lässt weder Raum für Fantasie noch für Spannung oder Erwartung und Überraschung. Der Debütroman der nicht mehr jungen Autorin ist so zwar thematisch interessant und nicht schlecht geschrieben, in der Umsetzung konnte er mich nicht überzeugen, mich nicht mitnehmen.
Eine Formatierungseigenart hat mich bei der Lektüre dazu besonders gestört: Die gesamte wörtliche Rede im Roman ist nicht in Anführungszeichen, sondern lediglich in kursiver Schrift gesetzt. Dabei werden nicht immer, wie es sein soll, Absätze beim Sprecherwechsel eingefügt, sondern die Sätze nahtlos aneinandergefügt, so dass man ständig überlegen muss, welche der Figuren nun gerade spricht. Das nervt sehr und stört den Lesefluss ungemein.
Laura Spence-Ash – Und dahinter das Meer
aus dem Englischen von Claudia Feldmann
Mare, August 2024
Gebundene Ausgabe, 364 Seiten, 25,00 €