Seichter Roman um eine schusselige Protagonistin in Liebes- und anderen Nöten
Der Roman ist voller altbekannter Tropes, voller altbekannter Zutaten und daher bringt er kaum Überraschendes. Dazu kommt eine arg überdrehte Hauptfigur, die zwischen ihrem Ex und dem neuen Schwarm schwankt.
Die Geschichte beginnt ganz witzig und das ist dann doch auch mal eine gute Idee für einen Roman: Millie, eine an sich sehr liebenswürdige junge Frau, eher schüchtern, immer bemüht, zu gefallen, arbeitet am Empfang einer größeren Produktionsfirma. Um sich abzureagieren, Dampf abzulassen, sobald sie sich geärgert oder ungerecht behandelt fühlt, verfasst sie Antwortmails. Die sie jedoch nie abschickt, sondern immer als Entwürfe speichert.
Eines Tages nun werden durch erstmal unklare Ursachen all ihre Entwürfe versendet und somit den Empfängern, die sie nie bekommen sollten, zugestellt. (Dass man beim Entwerfen einer Mail, die man gar nicht verschicken will, die Adresse des Empfängers besser nicht eingibt, war der Dame wohl unbekannt.) So gehen ihre Mails nicht nur an ihre Vorgesetzten oder an diverse Firmen, bei denen sie sich nicht zu beschweren traute, nicht nur an ihre Freundinnen, die so einmal die Wahrheit erfahren, die sie ihnen nie zu sagen wagte, sondern auch an ihren Ex, dem sie nachjammert und auch an den erwähnten Schwarm, den sie anhimmelt. Gott, wie peinlich.
Soweit ist der Einstieg in den Roman durchaus gelungen. Dann aber geht es über viel zu viele Seiten immer nur noch darum, wie sie sich nach diesem Drama fühlt, wie sie sich schämt, wie sehr es ihr peinlich ist. In ihrer Panik fällt sie von einem Fettnapf in den nächsten, erfährt Dinge über ihre Eltern, die sie lieber nicht gewusst hätte, zerstört die neue Beziehung ihres Ex und wird wieder und wieder von besagtem Schwarm aus diversen oberpeinlichen Situationen gerettet.
Dazu kommt, dass alle, wirklich alle Figuren wahnsinnig attraktiv sind, irrsinnig gutaussehend, schlank, groß, eben der Traum aller Frauen bzw. Männer. Dann geht es natürlich in altbekannter und leider ziemlich vorhersehbarer Manier weiter, bis sich mit Jack, dem angehimmelten Kollegen, nach und nach eben mehr entwickelt.
Dabei bleibt die Spannung komplett auf der Strecke, der vielen und immer ähnlichen überdramatisierten Situationen, in die Millie sich selbst bringt, wird man irgendwann überdrüssig. Diese Geschichte, die man in weniger als 300 Seiten hätte erzählen können, statt sie über nahezu 500 auszubreiten, konnte mich so überhaupt nicht abholen oder unterhalten. Den zweiten Stern bekommt sie nur für die trotz allem durchaus sehr sympathische Protagonistin, der man ihre Überdrehtheit und Schusseligkeit nicht übelnehmen kann.
Lia Louis – Tausend ungesagte Worte
aus dem Englischen von Veronika Dünninger
Penguin, Januar 2025
Taschenbuch, 477 Seiten, 6,00 €
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