Liz Moore – Der Gott des Waldes

Zeitlich und personell verworrener, aber nicht unspannender Roman um Reich und Arm

Dieser durchaus interessante Roman vereint sieben Zeitebenen und acht Erzählperspektiven. Da nützt auch die einigermaßen gelungene Story nichts, man verliert immer wieder den Überblick, wer was gerade erzählt und wann sich das zuträgt.

Was dazu führte, dass ich weder einen Zugang zu den vielen Figuren fand noch einem Handlungsstrang problemlos folgen konnte. Dabei ist die Geschichte, die hier erzählt wird, eigentlich fesselnd genug, auch wenn sie ziemlich weitschweifig und mit recht vielen Nebensträngen daherkommt.

So ist es auch nicht sehr einfach, die Handlung in wenigen Sätzen zusammenzufassen. Es beginnt damit, dass der Teenager Barbara van Laar aus einem Ferienlager verschwindet. Besagtes Ferienlager wird von ihrer Familie, den überaus wohlhabenden Van Laars auf ihrem Gelände in den Adirondacks betrieben. Barbara ist aufmüpfig, widersetzt sich den familiären Regularien, denen sich hingegen ihre Mutter Alice längst völlig unterworfen hat.

Und das nicht erst seit vor vierzehn Jahren Barbaras Bruder Peter IV, genannt Bear, im Alter von acht  Jahren ebenfalls verschwand und nie gefunden wurde. Natürlich kommen nun all die Trauer, die Beschuldigungen und Gerüchte wieder hoch, die damals aktuell waren. Es suchen auch durchaus dieselben Menschen nun nach Barbara, die damals nach Bear suchten.

Einige Verdächtige werden schnell gefunden, die sich dann auch noch gegenseitig beschuldigen. Dabei wird klar, wie groß der Unterschied ist in der Behandlung reicher Männer im Vergleich mit der Weise, in der mit armen Frauen umgegangen wird. Dies ist, neben der eigentlichen vordergründigen Handlung, Hauptthema des Romans.

Es werden immer wieder die Diskrepanzen gezeigt, wie Reiche sich die Welt nach ihren Wünschen formen können, während die Armen vom Leben und vom Einfluss der Reichen geformt werden. Manchmal ist diese Botschaft des Romans ein wenig zu dick unterstrichen, wird nicht sehr subtil vermittelt. Auch die sehr großen Unterschiede im Verhalten gegenüber Frauen und Männern, von Frauenrechten und ihrer, ja man kann es so nennen, Unterdrückung werden thematisiert. Was auch angebracht ist, denn die Handlung trägt sich zum einen im Jahr 1975 zu und zum anderen 1961, dem Jahr, in dem Bear verschwand, und sogar noch früher, nämlich in den 50ern, als Alice Peter van Laar den III. heiratet.

Die gesamte Story ist sehr verwickelt, es treten sehr viele Personen auf, darunter bekommen auch solche eine eigene Erzählperspektive, die keine tragende Rolle spielen. Wie beispielsweise ein 1961 Verdächtigter im Vermisstenfall des Jungen. Dann gibt es die Perspektive von Alice, Barbaras Mutter, von Louise, einer Betreuerin aus dem Ferienlager sowie von Tracy, einer Jugendlichen, die mit Barbara in derselben Gruppe im Lager ist. Dazu die Perspektive von Judyta, einer Ermittlerin bei der Suche nach Barbara, die, so empfand ich es, die eigentliche Hauptrolle im gesamten Roman spielt. Eine weitere Perspektive bekommt Jacob Sluiter, ein entflohener Mörder, sowie am Ende auch noch ein weiterer Mitarbeiter des Ferienlagers wie schließlich auch noch Barbara selbst.

Dies zusammen mit den vielen Zeitsprüngen, den absolut unnötigerweise auseinandergerissenen Szenen – trotz nahtloser Fortsetzung aus derselben Perspektive beginnen neue Szenen, sehr oft nach gerade mal zwei oder weniger Seiten – führt zu einer Erzählweise, die anstrengend ist, die wenig Zugang zu den Figuren ermöglicht (mit Ausnahme von Judyta, in die man sich bei der Lektüre wirklich hineinfühlen kann) und die dem Spannungsaufbau keinen Gefallen tut. So richtig nimmt die Spannung erst Fahrt auf gegen Ende, auf den letzten 100 oder 150 Seiten, als nicht mehr ständig die Perspektiven und die Zeitebenen wechseln.

Insgesamt ein stilistisch unbedingt gelungener, thematisch hochinteressanter und vom Plotaufbau herausfordernder Roman, den man uneingeschränkt empfehlen kann, trotz der oben genannten Kritikpunkte.

Liz Moore – Der Gott des Waldes
aus dem Englischen von Cornelius Hartz
C.H.Beck, Februar 2025
Gebundene Ausgabe, 590 Seiten, 26,00 €

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert