Um es gleich vorwegzusagen: Der Roman hat seine Spannung und irgendwann fängt diese die Leserin ein. Aber insgesamt ist die Handlung, die uns der erfolgreiche französische Autor hier präsentiert, schon etwas an den Haaren herbeigezogen.
Protagonisten sind die 35-jährige Eleanor-Rigby, die in England lebt, und der Kanadier George-Harrison. Ja, in beiden Fällen handelt es sich um die Vornamen. Unabhängig voneinander erhalten die beiden, die sich nicht kennen, Briefe eines Unbekannten, der über ihre Mütter offensichtlich bislang Geheimes zu wissen behauptet.
Die ruhige, etwas verträumte Eleanor, Journalistin bei National Geographic, ist Zwillingsschwester des autistischen Michel und ältere Schwester der energischen Maggie. Ihre Mutter ist verstorben, die Geschwister haben ein enges, entspanntes Verhältnis zu ihrem Vater. Offensichtlich kennt er die in dem dubiosen Brief angedeuteten Geheimnisse ihrer Mutter, die Eleanor ihm erst nach und nach entlockt. Doch es bleiben Dinge im Verborgenen, weswegen sie schließlich der Aufforderung des Unbekannten folgt und zu einem Treffen nach Baltimore reist.
Dort begegnet sie George-Harrison. Nachdem ihr Verdacht, er sei der Briefschreiber, ausgeräumt ist, beginnen die Beiden zusammen nachzuforschen. Nach und nach decken sie die gemeinsame Vergangenheit ihrer Mütter auf, erfahren, welche Schicksalsschläge sie erlebten und schließlich auch, welche Taten ihre Mütter begingen. Hinzu kommt, dass George, dessen Mutter unter Demenz leidet, zeit seines Lebens herausfinden möchte, wer sein Vater ist, seine Mutter ihm diese Auskunft aber immer verwehrte.
Wie eingangs bereits erwähnt, packt die Handlung ab einem gewissen Punkt, will die Leserin wissen, was sich hinter den mysteriösen Andeutungen verbirgt. Auch die sich behutsam entwickelnde, wenn auch erwartbare Liebesgeschichte zwischen Eleanor und George sorgt für zusätzliche Spannung. Doch es dauert eine ganze Weile, bis die Geschichte ausreichend Fahrt aufnimmt. Der Autor verliert sich immer wieder mal in Belanglosigkeiten, in zu üppigen Beschreibungen von Setting oder Handlungen, in zu viel Information. Manches ist dann auch wieder vorhersehbar, an anderer Stelle hingegen überrascht Marc Levy die Leserin mit interessanten Twists. Dabei wirkt der Bezug zu Ereignissen 1944 während des zweiten Weltkriegs dann doch etwas mühsam hergestellt.
Was aber vor allem auffällt und was leider im Gedächtnis bleiben wird, sind die häufigen Perspektivfehler, die dem Autor unterlaufen. Die Handlung wird wechselweise aus der Sicht von Eleanor und der von George, in beiden Fällen in Ich-Form, erzählt. Und hier kommt es immer wieder vor, dass die Ich-Erzählerin Dinge berichtet, die sie nicht wissen kann, weil sie sie entweder nicht sieht oder nicht dabei war. Und das stört ungemein und zeugt außerdem von mangelnder Sorgfalt bei Autor und Lektor.
Fazit: ein hinreichend spannender, aber etwas aufgeblähter Roman mit einigen handwerklichen Fehlern.
Marc Levy – Das Geheimnis unserer Herzen
aus dem Französischen von Eliane Hagedorn und Bettina Runge
blanvalet, August 2021
Gebundene Ausgabe, 444 Seiten, 20,00 €
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