Ein Liebesroman? Ein Science-Fiction-Roman? Ein Wissenschaftsthriller? So ganz kann ich mich nicht entscheiden, welchem Genre dieser Roman zuzuordnen ist. Vielleicht war es dem Autor selbst auch nicht so klar. Vorrangig erzählt Marc Levy, der mit seinen Romanen schon weltweit erfolgreich war, die Liebesgeschichte zwischen Hope und Josh. Beide lernen sich während ihres Studiums kennen und lieben. Josh forscht gemeinsam mit seinem Freund Luke in einem geheimnisvollen Zentrum, dessen Betreiber den Beiden das Studium finanziert. Hope wird nach einer Weile Mitglied ihres Teams und während die Liebe zwischen Josh und ihr wächst, entwickeln die Drei gleichzeitig eine Methode, die Erinnerungen, das Gedächtnis eines Menschen zu speichern, aufzubewahren. Selbst lange verschüttete Kindheitserlebnisse werden dadurch wieder aufgerufen, eine Erfahrung, die Josh während eines Selbstversuchs durchlebt.
Als Hope unheilbar erkrankt, beginnen die Forschenden, ihr Gedächtnis mittels ihrer Methode abzuspeichern. Denn sie haben beschlossen, dass sich Hope nach ihrem Tod einfrieren lässt.
Gut die ersten zwei Drittel des Romans befassen sich mit den Forschungen der jungen Leute und der wachsenden Liebe zwischen Josh und Hope. Besonders Hope ist eine sehr liebenswerte Figur, humorvoll, intelligent und offen. Die Gefühle zwischen ihr und Josh, die Eifersucht Lukes, dessen Besessenheit für seine Forschungen, all das zeichnet Marc Levy stimmig und nachfühlbar. Als Hope dann erkrankt, zeigt sie sehr viel Mut, sie trotzt den Schmerzen bis zuletzt.
Der letzte Teil des Buchs spielt viele Jahrzehnte nach Hopes Tod. Hier ahnt man sehr schnell, worauf es hinausläuft. In dieser, in der Zukunft spielenden Handlung, gelingt es dem Autor nicht so gut wie im ersten Teil, die Emotionen seiner Figuren in Worte zu fassen. In diesem Teil ist vieles oberflächlicher, distanzierter, sind die Charaktere nicht so ausgearbeitet. Fast wirkt es, als würde der Autor selbst in dieses Romanende weniger Gefühle investieren.
Die Handlung des Romans ist interessant, die wissenschaftlichen Aspekte für Nicht-Wissenschaftler nicht immer ganz verständlich, aber dennoch spannend. Die Liebesgeschichte ist berührend und traurig. Dennoch, bei aller Empathie für die Figuren, konnte ich mich nicht ganz für diesen Roman erwärmen. Vieles ist doch zu kitschig, zu rosarot, drückt zu sehr auf die Tränendrüsen. Es gibt etliche gefühlvolle Szenen, die hart an der Sentimentalität vorbeischrammen. Nicht zu vergessen der doch recht schmalzige deutsche Titel des Romans – im Original wurde dagegen ein Zitat aus dem Buch verwendet. Auch der Stil bringt wenig Überraschendes, Neues. Dass ich den Roman trotzdem zügig gelesen habe, lag vor allem an der interessanten Hintergrundgeschichte um die Hirnforschung. Die, wie im Nachwort zu lesen ist, nicht gänzlich der Fantasie des Autors entsprungen ist.
Marc Levy – Jeder Anfang mit dir
aus dem Französischen von Eliane Hagedorn und Bettina Runge
blanvalet, März 2021
Gebundene Ausgabe, 413 Seiten, 20,00 €