Ein von einer Historikerin geschriebener Roman um eine reale Person könnte trocken, zu wissenschaftlich, wenig empathisch sein, so war meine Befürchtung. Völlig unbegründet, das kann ich mit Fug und Recht sagen, nachdem ich das Buch von Maren Gottschalk gelesen habe.
Bei der Lektüre standen mir immer die Bilder aus der Verfilmung des Schicksals von Margarete Steiff vor Augen, was aber erstmal kein Nachteil ist. Denn beide, Film und das vorliegende Buch, gehen behutsam daran, das Leben der Frau zu schildern, die trotz ihres gewaltigen Handicaps eine eigene Firma gründet, die Weltruhm erlangt. Und das im 19. Jahrhundert.
Margarete Steiff, als kleines Kind an Kinderlähmung erkrankt, sitzt Zeit ihres Lebens im Rollstuhl. Das ist für das von Leben und Unternehmungsgeist sprühende Mädchen doppelt und dreifach schwer. Zumal sie sich ständig als Belastung ihrer Familie und besonders ihrer Mutter empfindet. Diese lässt ihre Tochter das auch immer und stets spüren, klagt und jammert und alles, was für die Geschwister gut ist, braucht das Gretle in den Augen der Mutter doch gar nicht.
Doch Margarete hat ihren unbeugsamen Willen und gute Freunde, auch innerhalb der Familie. So findet sie die Unterstützung, die sie braucht, als sie beginnt, aus ihrer Näherei eine immer größer werdende, florierende Geschäftsidee zu machen. Als sie dazu übergeht, vor allem Spieltiere aus Filz herzustellen, nimmt der Erfolg immer mehr zu.
Maren Gottschalk erzählt das Leben der tapferen Frau in zwei Erzählsträngen. Der eine folgt der erwachsenen Frau, schildert ihre Schritte hin zu einer eigenen Firma, zu ihren immer neuen Plänen und Erfolgen. Und zeigt ihr Leben, das sie durchaus weitestgehend in die eigenen Hände nimmt, um sich eine möglichst große Unabhängigkeit zu erschaffen. Dazu gehört auch die langjährige Freundschaft zu einem ihr zur Seite stehenden Unternehmer, der allerdings eine für den Roman erfundene Figur ist.
Dazwischen eingeschoben sind Rückblicke auf die Kindheit Margarete Steiffs, auf die Qualen, die sie wegen der wiederholten drastischen Behandlungen, denen sie ihre Eltern unterziehen lassen, durchleidet, auf die Freude, die das Mädchen daraus schöpft, mit anderen Kindern spielen zu können. Auf die drastischen Kurmethoden ebenso wie auf die Freundlichkeit, mit der ihr dann doch auch wieder begegnet wird.
So entsteht ein vielschichtiges Bild einer Frau, die dank ihres starken Willens und ihres Muts Erfolg und auch Glück erreicht. Dabei ist der Stil der Autorin manchmal etwas pathetisch, dann wieder über längere Stellen hinweg ein wenig trocken, packt sie zu viel historische Informationen in einen Roman. Ein wenig fehlte mir auch die differenzierte Betrachtung der Hauptfigur, wurde sie mir manchmal zu heroisiert, war zu fehlerlos.
Der Roman liest sich dabei flüssig und ist annehmbar spannend, auch wenn man die Geschichte der Margarete Steiff kennt.
Maren Gottschalk – Fräulein Steiff
Goldmann, Juni 2022
Gebundene Ausgabe, 416 Seiten, 24,00 €