Die Autorin, in Kabul geboren und als Kind nach Deutschland gekommen, erzählt von Wana, einer Frau Anfang 40 mit afghanischen Wurzeln. Wie die Autorin lebt auch die Protagonistin in Berlin, zusammen mit Freund und Sohn. In Rückblicken erleben wir ihre Kindheit in Afghanistan, die Flucht nach Europa und die schwere Zeit der Eingewöhnung. Die Einschulung und die Ausgrenzung, die Suche nach Freundschaften, das Hadern mit der eigenen Herkunft und der Diskrepanz zwischen der eigenen Kultur und der im neuen Heimatland.
Das kommt dann zum Ausdruck, als Wana einen schweren Unfall hat und zur Genesung zurück zu ihrer Familie ins Ruhrgebiet zieht. Der Konflikt entsteht zwischen ihrer Mutter, die immer wieder versucht, Wana zu einer Afghanin zu machen und Wana selbst, die sich dem widersetzt. Im Laufe der Zeit beginnt sie sich immer öfter zu fragen: wo ist mein Zuhause, wo gehöre ich hin?
Die Protagonistin ist eine sympathische Figur, mit der man mitfühlen kann und deren Gedankengänge nachvollziehbar und mit Verständnis beschrieben sind. Auch und vor allem die Schilderungen der Kindheit, der sehr engen Beziehung Wanas zu ihrem Vater und der Schwierigkeiten bei der Eingewöhnung in das fremde Land sind bildhaft und empathisch.
Trotzdem hat der Roman letzten Endes mich nicht so sehr berührt, wie man es erwarten könnte. Das mag daran liegen, dass er zu viel will, zu plakativ die Themen aufgreift und diese dann zu sehr auswalzt. Vieles wird gebetsmühlenartig mehrfach wiederholt, was irgendwann ermüdet. Hinzu kommt ein recht einfacher, wenig professioneller Schreibstil, der den Roman zwar flüssig lesbar macht, aber die Leserin kaum herausfordert.
Fazit: ein thematisch interessanter Roman, der Lust auf mehr Lektüre zum Thema weckt, selbst aber eher einfach gestrickt ist.
Mariam T. Azimi – Tanz zwischen zwei Welten
List, Mai 2021
Gebundene Ausgabe, 255 Seiten, 19,99 €