Ein sich in diversen Themen verzettelnder Roman
Dieser Roman hat mich ziemlich ratlos zurückgelassen. Was er mir erzählen wollte, blieb unklar, ebenso, welches das eigentliche Thema war.
Die Handlung selbst lässt sich in wenigen Worten zusammenfassen: Vier Menschen, die sich mehr oder weniger zufällig begegnen, planen, den Kaiser zu ermorden.
Bei diesen vier Menschen handelt es sich um Friedrich, ein in Deutschland geborener Sohn eines schwarzen Amerikaners, um Erich, Diener eines Malers, der ihn aus Deutsch-Südwest mitgebracht hat, um Joseph, ein Kameruner Theologiestudent. Und um Florentine, Tochter aus gutem Hause.
Letztere, ob aus wirklicher Leidenschaft oder eher aus Langeweile, wünscht sich mehr Rechte für Frauen, wünscht sich, dass Frauen mehr zu erwarten haben als eine gute Partie. Die drei Männer erfahren, es ist das Jahr 1914, immer wieder Ausgrenzung, offenen oder latenten Rassismus. In Gesprächen entsteht der Plan, Männer zu töten, die, vor allem als Militärangehörige, in die Unterdrückung der Bewohner der Kolonien involviert sind. Als die Morde nicht die gewünschte Aufmerksamkeit erregen, gehen sie einen großen Schritt weiter und wollen ein Attentat auf den deutschen Kaiser verüben.
Diese Inhaltsangabe verheißt einen spannenden Roman, einen Krimi vielleicht, einen Roman, der sich dem Thema Rassismus annimmt. Doch es funktioniert nicht. Weder wird dieses Thema vorrangig noch ausführlich behandelt, noch wird es wirklich deutlich. Dazu kommen die anderen Themen, die angerissen, aber nicht zu Ende erzählt werden, wie Frauenrechte, die Verbrechen in den Kolonien, die Arbeit der Polizei, die Obrigkeitsgläubigkeit gegenüber dem Militär und noch einige andere.
Dazu kommt, dass sich mir die eigentlichen Motive der vier Menschen für ihre Taten nicht deutlich zeigen. Die Gespräche zwischen ihnen sind meist halbherzig, versanden in Andeutungen, sind inhaltsleer und nichtssagend. Auch die Darstellung der verschiedenen Lebenssituationen dieser vier Personen, die so unterschiedlich sind in Charakter, Geschichte und Hintergrund, ist eher blass, es entstehen bei der Lektüre keine Bilder, man bekommt kein Gefühl für die Figuren.
Sehr störend sind auch die eingeschobenen Briefe, die Joseph in den folgenden Jahren und Jahrzehnten schreibt, adressiert an seinen Freund Theodor, Florentines Bruder. Er sendet sie aus der Heimat Kamerun, sie beginnen 1914, gehen bis zum Jahr 1941 und wirken seltsam beziehungslos zur laufenden Handlung. Welchen Zweck der Autor damit erreichen will, ist mir unklar geblieben. Zusätzlich stören sie erheblich die Spannung, denn sie verraten, dass die Attentäter offensichtlich ungeschoren blieben.
Manche Ansätze sind vielversprechend, wie die Schilderung der Völkerschau, wo Menschen aus den Kolonien wie Puppen ausgestellt werden, doch auch das versandet, ohne wirklich eine Aussage zu formulieren.
Insgesamt konnte mich der Roman weder unterhalten noch überzeugen.
Max Annas – Berlin, Siegesallee
Rowohlt, Hundert Augen, Januar 2024
Gebundene Ausgabe, 285 Seiten, 22,00 €