Mikki Brammer – Dieses schöne Leben

⭐⭐⭐

Sterbebegleiterin auf der Suche nach dem Leben – anrührende, aber etwas langatmige Story

Man kann sich kaum einen belastenderen, aber vielleicht auch keinen erfüllenderen Beruf denken als den einer Sterbebegleiterin. Aber wie muss der Mensch sein, der einen solchen Beruf ergreift? Wie schützt man sich, die eigene Psyche, gegen die ständige Begegnung mit dem Tod? Insbesondere, wenn man selbst nicht sehr gefestigt ist, aber dafür mit vielen inneren Problemen zu kämpfen hat?

Diese Fragen wirft der Roman der in Australien geborenen Autorin auf, der die Geschichte von Clover erzählt. Clover, heute Mitte Dreißig, hat im Alter von sechs Jahren ihre Eltern verloren und wuchs bei ihrem Großvater auf. Der war ein sehr belesener Mann, allerdings mit keiner Erfahrung im Umgang mit kleinen Kindern. So verwundert es wenig, dass Clover zu einer etwas wunderlichen jungen Frau heranwuchs.

Als ihr Großvater starb, war Clover gerade im Ausland und diese Tatsache hat sie so geprägt, dass sie beschloss, Sterbebegleiterin zu werden, damit sie dazu beitragen kann, dass Menschen nicht allein sterben müssen.

Ihre Tätigkeit ist abwechslungsreich und unterscheidet sich sehr, je nach Auftrag. Mal ist so eine Begleitung nach wenigen Stunden abgeschlossen, mal geht sie über Tage und Wochen. Einzige Kontakte für Clover, die mit einem Hund und zwei Katzen immer noch in der Wohnung ihres Großvaters wohnt, wo sie fast nichts verändert hat, sind der alte Nachbar und Freund ihres Großvaters, Leo, und die neu eingezogene Sylvie. Einzige Freizeitbeschäftigung sind ihre Besuche von sogenannten „Death Cafés“, Gesprächsrunden von Menschen, die über den Tod reden wollen.

Dort lernt sie eines Tages Sebastian kennen, der sie zu seiner Großmutter bringt, die sterbenskrank ist und mit der Clover lange Gespräche führt. Irgendwann beschließen sie und Sebastian, einen Mann zu suchen, in den seine Großmutter vor sechzig Jahren verliebt war und den sie seither nicht mehr gesehen hatte.

Dass dieser Trope zum einen inzwischen recht abgedroschen und zum andren in meinen Augen völlig unrealistisch ist – wer glaubt an so etwas? – lasse ich mal unberücksichtigt. Dass aber dieser Handlungsteil, der im Klappentext so angekündigt wird, als wäre er Hauptpart des Romans, erst weit nach Seite 250 überhaupt thematisiert und dann binnen weniger Seiten abgehakt wird, irritiert dann schon.

Bis es dazu kommt, zieht sich der Roman, so liebens- und bedauernswert die Protagonistin auch ist, ziemlich. Es gibt nicht viel Handlung, dafür seitenlange Selbstbetrachtungen Clovers, deren Erkenntnisse sich ständig wiederholen. Man entwickelt Empathie für sie und ihre Einsamkeit, aber das permanente Wiederkauen ihrer Probleme, ihrer Hemmungen anderen Menschen gegenüber, ihrer Angst geradezu vor anderen Menschen, wird irgendwann lästig. Eine Straffung, mehr Handlung und deutlichere Entwicklungsfortschritte der Hauptfigur hätten dem Roman gut getan.

Fazit: Eine berührende Geschichte mit einigen Längen, die der Vermittlung des Themas nicht zuträglich sind.

Mikki Brammer – Dieses schöne Leben
aus dem amerikanischen Englisch von Carolin Müller
Knaur, November 2023
Taschenbuch, 400 Seiten,  16,99 €

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