Wer gerne Kriminalromane liest, landet früher oder später in der Eifel. Und wer dazu noch historische Bezüge in Krimis mag, sowieso. Ich habe keine Ahnung, warum die Eifel ein so bevorzugter Schauplatz von mörderischen Handlungen ist. In jedem Fall ist sie aber ein Garant für Spannung.
So auch in dem neuen Roman des Aachener Autors Olaf Müller, der darin den vierten Fall von Kommissar Michael Fett erzählt.
Dieser Ermittler, Mitte 50, Single und Philosoph, übernimmt kurz vor Weihnachten 2019 die Untersuchung des Mordes an Eugen Kaltenbach, ein alter Mann, erschossen auf dem Krawutschketurm bei Bergstein in der Eifel. Ein Ort mit blutiger Geschichte, fand doch hier Ende 1944 eine heftige Schlacht zwischen Amerikanern und Deutschen statt. Wie es scheint, gibt es einen Bezug zwischen dem Mord heute und den Ereignissen damals.
Als ein zweiter Mord in Düren geschieht an der betagten Gundula Borsche, die vor ihrem Ruhestand in der Jülicher Zuckerfabrik als Ingenieurin tätig war, erschließt sich dem Kommissar der Zusammenhang zum Mord in Bergstein nicht sofort. Dass dann sein langjähriger Mitarbeiter Schmelzer versetzt und ihm eine neue Kommissarin an die Seite gestellt wird, macht das Leben von Kommissar Fett auch nicht einfacher.
Dieser auf einem Klapprad durch Aachen kutschierende Ermittler ist eine vielschichtige Figur, offenkundig als Protagonist einer Romanreihe angelegt. Wenn Fett über den Aachener Weihnachtsmarkt schlendert, sich mit Freunden und Bekannten trifft oder mit der neuen Kollegin Daniela Conti unterwegs ist, philosophiert er gerne über den Zustand der Welt.
Diese teilweise recht langen Abschnitte bremsen leider die Handlung etwas heftig aus. Es ist durchaus interessant, den Gedankengängen des Kommissars zu folgen, nur wäre hier etwas weniger mehr gewesen. Die Figur der Daniela Conti, die die Stelle des ehemaligen Mitarbeiters Schmelzer übernimmt, ist ebenfalls mit Hintergrund und Tiefgang ausgestattet. Hier allerdings waren mir die ständigen italienischen Spracheinsprengsel in ihrer Rede zu viel und vor allem nicht nachvollziehbar bei einer in Bottrop geborenen Tochter eines Italieners und einer Deutschen.
Nach und nach nimmt die Handlung immer mehr Fahrt auf, die Beziehungen zwischen den Mordopfern, die Hintergründe und Motive werden klarer. Und schließlich erreicht die Spannung ihren Höhepunkt, kommt es zum dramatischen Showdown. Hier hat mir sehr gut gefallen, wie authentisch diese Szenen vom Autor geschildert wurden, es fühlt sich an, als wäre man als Leserin mittendrin, mit dabei in der Kommandozentrale, mit dabei in den Autos, die zum Einsatz rasen. Immerhin wird der Autor als Leiter des Aachener Kulturbetriebs in seinem täglichen Leben wahrscheinlich eher weniger in solchem Umfeld unterwegs sein. Umso mehr war ich davon angetan, dass diese Darstellung so professionell wirkte, wo doch gerade hier in Fernsehkrimis oft mehr auf die Wirkung als auf die Authentizität gesetzt wird. So vermeidet Olaf Müller stets gefährliche Alleingänge seiner Kommissare, immer wirken sie im Team mit den nötigen Unterstützern, ganz anders als die unrealistische Vorgehensweise in Tatort und ähnlichen Formaten. Gerade das hat mir an diesem Kriminalroman wirklich sehr gut gefallen.
Eine Formalie allerdings erschwert den Lesefluss: es gibt zu wenige Absätze im Text. Teilweise ziehen sich die Absätze über zwei oder mehr Seiten. Das trübt das Lesevergnügen entscheidend, hier hätte an vielen Stellen ein Absatz gutgetan.
Insgesamt ein hochspannender, temporeicher Krimi, vielleicht mit ein bisschen zu viel Philosophie. Auf die nächsten Krimis von Olaf Müller bin ich heute schon gespannt.
Olaf Müller – Herr über Leben und Tod bist du
gmeiner, Juli 2021
Taschenbuch, 280 Seiten, 12,00 €
Herzlichen Dank für Ihre umfangreiche und genaue Lektüre. Das ist selten heutzutage.
Man spürt Ihre Liebe zur Literatur.
Als gelernter Buchhändler und Germanist freue ich mich über Ihr Engagement besonders. Ihre Webseite ist schön ruhig gestaltet. Das gefällt mir sowie die wide range Ihrer Leseerlebnisse. Chapeau aus Südostpolen. Recherche in der zweiten Heimat.
Danke und herzliche Grüße
Olaf Müller
Liebe Rena,
ein tolles Kompliment von einem Autor, dessen Buch du rezensiert hast. – Du hast es dir verdient!!
LG Anneliese