Petra Pellini – Der Bademeister ohne Himmel

⭐⭐⭐⭐

Berührender Roman um eine besondere Freundschaft

Im Mittelpunkt der Geschichte, die anrührend ist und nachdenklich macht, steht die fünfzehnjährige Linda. Sie erzählt in Ich-Form von ihrer Freundschaft zum sechsundachtzigjährigen Hubert, den sie lieber besucht als die Schule.

Linda wächst bei ihrer Mutter auf, der Vater ist verschwunden, doch beide weinen ihm nicht nach, denn er schlug auch schon mal zu. Doch zwischen Linda und ihrer Mutter fehlen oft die Worte, sie scheinen nicht dieselbe Sprache zu sprechen. Als ein neuer Mann in das Leben der Mutter tritt, wird es nicht besser.

So ist es auch eine Art Flucht, wenn Linda so oft wie möglich zu ihrem Nachbarn Hubert geht. Der immer mehr seiner Demenz verfallende Mann wird von Ewa versorgt, einer Polin, die mit Fachkenntnis, Akribie und Liebenswürdigkeit ihre Arbeit versieht. Beauftragt wurde sie von Huberts Tochter, die Linda nur den „Nachtfalter“ nennt. Denn die Tochter ist überfordert mit dem zunehmenden Verfall des Vaters, ist hilflos im Umgang mit dem Mann, der nie so reagiert, wie man es erwartet.

Linda hingegen scheint einen Draht zu ihm zu haben, sie geht völlig unverkrampft mit ihm um, spricht mit ihm, als erwarte sie Antworten von dem ehemaligen Bademeister, geht auf ihn ein, ohne ihn zu irgendetwas zu zwingen. Dabei wächst ihr der alte Mann immer mehr ans Herz und rettet ihr in gewisser Weise sogar das Leben. „Und mit einem Mal stehe ich vor Huberts Fotowand und vor meinen Augen verschwimmt das Bild des Babys. Und im selben Moment weiß ich, dass keine Mutter ihr Kind verlieren will, und sogar, wenn wir krass Streit hätten, würde Mama wollen, dass ich lebe.“ (S. 205)

Denn eigentlich wollte sich Linda vor einen Bus werfen, Selbstmord begehen. Doch Hubert und vor allem auch ihr Freund Kevin halten sie davon ab. Kevin ist ein Nerd, er hat genauso wenig Freunde wie Linda, ist überzeugt davon, dass die Menschen den Planeten zerstören und beschäftigt sich fast ausschließlich mit Fragen des Klima- und Umweltschutzes. Auch er wächst ohne Vater auf und seine Mutter braucht immer wieder Lindas Hilfe, um ihren Sohn überhaupt zu erreichen.

Die Sprache, in der die österreichische Autorin diese Geschichte erzählt, ist wunderbar leicht, sanft, sehr empathisch und vor allem trifft sie perfekt den Ton eines Teenagers. Das aber, ohne sich anzubiedern, ohne penetrant Jugendsprache zu verwenden oder ähnliche Klischees, sondern locker, humorvoll, doch gleichzeitig einfühlsam, melancholisch, sehr berührend.

Dennoch fehlt der Geschichte ein wenig das Tempo, über lange Strecken dümpelt die Handlung ein wenig vor sich hin, es geschieht wenig, man ist als Leserin eher Beobachterin als das der Roman einen in die Ereignisse hineinzieht. Wobei es im Grunde bis kurz vor dem Ende so gut wie keine Ereignisse gibt. So ist der Roman einerseits ergreifend sowohl wegen der sehr anschaulichen Schilderung der Demenzerkrankung wie auch wegen der authentischen Beschreibung der jungen Protagonistin. Andererseits aber ein ganz klein wenig handlungsarm.

Davon unbenommen, vor allem wegen der gelungenen Sprache, unbedingt zu empfehlen.

Petra Pellini – Der Bademeister ohne Himmel
Kindler, Juni 2024
Gebundene Ausgabe, 317 Seiten, 23,00 €

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